Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
Wichtigeres zu tun, als über meine Bluse zu reden?«
»Weißt du, woran ich während der ganzen Sitzung gedacht habe?«
»Nein, woran?«
»Daran, wie ich dich in meinem Bett … in unserem Bett willkommen heiße.«
»So?« Als er die Schlafzimmertür aufstieß, verschränkte sie die Hände in seinem Nacken. Ihr Puls begann bereits vor Erwartung zu rasen. »Weißt du, woran ich gedacht habe, während ich meine Sachen ausgepackt habe?«
»Nein, woran?«
»An genau dasselbe.«
Ihre Worte verliehen dem Raum, aus dem er sich nie viel gemacht hatte, etwas Besonderes. »Na, dann sollten wir schnellstens etwas in dieser Hinsicht unternehmen.« Zusammen mit Anna ließ Daniel sich auf die weiße Tagesdecke fallen.
Mit Daniel zu leben, mit ihm aufzuwachen und einzuschlafen war leichter, als Anna es sich vorgestellt hatte. Trotzdem verliefen die ersten Wochen ihres Zusammenlebens nicht ohne ein gewisses Umstellen und Eingewöhnen.
Im Hause ihrer Eltern und auf dem Campus war Anna daran gewöhnt gewesen, nach ihrem eigenen Gutdünken zu agieren und Zeit für sich allein zu haben.
Jeden Morgen neben einem anderen Menschen aufzuwachen war etwas ganz anderes. Vor allem, wenn es sich dabei um einen Mann handelte, der Schlaf als vergeudete Zeit betrachtete. Daniel MacGregor war nicht der Typ, der gern lange schlief und dann gemütlich bei einer Tasse Kaffee wach wurde. Der Morgen war die ideale Zeit für Geschäfte, und der begann, sobald Daniel die Augen aufschlug.
Weil Anna einem anderen Rhythmus folgte, tappte sie erst für ihre erste Tasse Kaffee in die Küche, wenn er schon seine zweite und letzte getrunken hatte. Die Verabschiedung war knapp und gehetzt und alles andere als romantisch. Daniel war mit seinem Aktenkoffer zur Tür hinaus, noch bevor ihr Gehirn überhaupt richtig zu arbeiten begonnen hatte. Nicht gerade wie Flitterwochen, schoss es ihr durch den Kopf, als sie wieder einmal allein am Frühstückstisch saß. Aber mit dieser Routine konnte sie leben.
Bis sie dann zum Krankenhaus fuhr, hatte Daniel bereits etliche Geschäftsentscheidungen getätigt. Während sie Laken faltete und den Patienten vorlas, jonglierte er auf dem Aktienmarkt mit Firmenübernahmen und Aufkäufen. Da sie jetzt mit ihm lebte, bekam sie langsam eine Vorstellung davon, wie mächtig er wirklich war. Sie hatte schon einen Senator am Telefon gehabt, und der Gouverneur von New York hatte eine Nachricht hinterlassen.
Dass die Politik ein Aspekt seiner Karriere war, daran hatte sie bisher nie gedacht. Und sie hatte erfahren, dass er, obwohl er nur selten die Oper oder das Ballett besuchte, enorme Summen für die Künste spendete. Kultur, Politik, Wirtschaft – für Daniel war das alles Geschäft. Und auch wenn sie jetzt wusste, dass das Geschäft den größten Teil seiner Zeit und seines Lebens einnahm, so tat er ihre Fragen danach doch mit knappen Antworten ab, so wie ein Vater die lästigen Fragen eines neugierigen Kindes abfertigen würde.
Anna verbrachte ihre Tage im Krankenhaus, in Vorlesungen und über Büchern, um sich für das letzte Studienjahr und auf ihr Abschlussexamen vorzubereiten. Daniel fragte sie selten danach, und wenn er es tat, geschah es aus reiner Höflichkeit. Anna spürte das und erzählte daher auch nicht viel.
Die Abende verbrachten sie bei einer gemeinsamen Mahlzeit oder beim Kaffee im Wohnzimmer. Keiner von ihnen beiden sprach über seine Wünsche und Ambitionen, was sie in ihrer Karriere erreichen wollten. Während sie die Gesellschaft des anderen genossen, schien es doch so, als läge ein Teil ihres Lebens hinter einem Schleier, den keiner als Erster lüften wollte.
Kleinlich wachten sie über ihre freie Zeit, verbrachten sie fast nur allein zu Hause. Wenn sie ausgingen, dann mit den frisch vermählten Ditmeyers. Man ging ins Kino, wo sie im Dunkeln Händchen halten und den Druck des Alltags vergessen konnten. Sie lernten einander kennen, die Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen des anderen, die Schwächen und Fehler. Aber obwohl ihre Liebe sich festigte, waren sie beide sich noch immer nicht einig.
Daniel wollte eine Ehe. Anna wollte eine Partnerschaft. Sie hatten noch nicht herausgefunden, wie sich beides verbinden ließ.
Die Sommerhitze flirrte durch den August. Sie weichte den Asphalt auf und hing drückend in der Luft. An den Wochenenden fuhren Daniel und Anna hinaus und picknickten auf Daniels Grundstück in Hyannis Port. Dort schliefen und lachten sie miteinander, so ungehemmt wie beim ersten
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