Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
Ankunft zu Hause Sallys Hand ansehen musste.
Zu Hause. Anna lächelte unwillkürlich. Erst drei Wochen war es her, dass sie ihre Sachen in das Zimmer geräumt hatte, das einst Daniels Schlafzimmer gewesen war. Jetzt war es ihrer beider Schlafzimmer. Vielleicht hegte sie Zweifel wegen morgen, nächster Woche, nächstem Jahr, aber über das Heute gab es nicht die geringste Unsicherheit. Sie war glücklich. Das Zusammenleben mit Daniel hatte ihrem Leben eine Dimension hinzugefügt, von deren Existenz sie nie gewusst hatte. Der Gedanke an eine Heirat jedoch sandte ihr immer noch einen Schauder über den Rücken. Es war Misstrauen, wie sie sich eingestand. Aber wem misstraute sie? Daniel oder sich selbst? Er hatte gesagt, dass sie mit ihrer Einstellung sie beide vor ein Tribunal stellte. Vielleicht stimmte das sogar, aber nur, weil sie Angst hatte, ihn zu verletzen. So wie sie Angst hatte, selbst verletzt zu werden.
In manchen Augenblicken schien ihr alles so klar. Sie würde ihn heiraten, ihm Kinder schenken, das Leben mit ihm teilen. Sie würde Ärztin werden, und zwar die beste, die es geben konnte. Er wäre stolz auf ihre Errungenschaften, so wie sie auf seine stolz sein würde. Sie hätte alles, was eine Frau sich je wünschen könnte. Es war möglich.
Und dann fiel ihr wieder ein, wie desinteressiert er an ihrer Arbeit im Krankenhaus war. Wie er sich in sein Arbeitszimmer einschloss und seinen Geschäften nachging, ohne ihr gegenüber auch nur ein Wort fallen zu lassen. Und dass er keine Fragen stellte über die medizinischen Lehrbücher, die jetzt überall im Schlafzimmer herumlagen. Kein einziges Mal hatte er angesprochen, dass sie in wenigen Wochen nach Connecticut zurückmusste. Oder ob er gedachte, sie zu begleiten.
Konnten zwei Menschen ein Leben, eine Liebe teilen, wenn sie nicht auch das teilten, was für sie als Individuen das Wichtigste war? Wenn sie diese Antwort gefunden hätte, könnte sie endlich alle anderen Fragen vergessen.
Anna riss sich zusammen, als sie auf die Auffahrt einbog. Sie weigerte sich, jetzt düsteren Gedanken nachzuhängen. Sie war zu Hause, das war genug.
Als sie in die Küche trat, schob Sally gerade etwas in den Ofen.
»Sie sollen diese Hand doch schonen.«
»Die hat genug Schonung abbekommen.« Ohne sich umzudrehen, holte Sally eine Tasse aus dem Schrank. »Sie sind spät heute.«
»Ein Autounfall in der Notaufnahme, mit vielen Schnitten, Kratzern und blauen Flecken. Ich bin dageblieben, um ein paar Hände zu halten.«
Sally schenkte Kaffee ein und stellte die Tasse auf den Tisch. »Viel lieber hätten Sie genäht, nicht wahr?«
Mit einem Seufzer setzte Anna sich an den Tisch. »Ja. Es ist so schwer, wenn man nicht einmal die kleinsten Dinge tun darf. Nicht einmal Blutdruck messen.«
»Nicht mehr lange, dann werden Sie viel mehr als das übernehmen.«
»Ja, das sage ich mir auch immer wieder. Nur noch ein Jahr. Aber ich bin so ungeduldig, Sally.«
»Das haben Sie und der MacGregor gemein.« Da sie wusste, dass sie willkommen sein würde, setzte Sally sich mit einer eigenen Tasse zu Anna an den Tisch. »Er hat angerufen und Bescheid gesagt, dass er später kommt. Er meinte, Sie sollten ruhig schon zu Abend essen, aber man hat ihm angehört, dass es ihm lieber wäre, wenn Sie auf ihn warteten.«
»Ich kann warten. Haben Sie noch Schmerzen in der Hand?«
»Morgens nach dem Aufwachen ist sie ein bisschen steif, aber tagsüber merke ich kaum etwas.« Sally streckte den Arm aus und betrachtete die Stiche. »Hätte ich selbst kaum ordentlicher machen können.« Dann grinste sie. »Ich denke, menschliches Fleisch zu nähen hat nicht viel gemein mit dem Nähen eines Saums an einer Tischdecke.«
»Die Technik ist sehr ähnlich.« Anna tätschelte Sallys Hand. »Da Daniel erst später kommt, ist das doch eine gute Gelegenheit für uns, die Menüfolge für nächste Woche durchzugehen. Ich hätte da ein paar Vorschläge, aber wenn Sie eine Spezialität haben …« Sie brach ab und schnupperte. »Sally, was haben Sie da im Ofen?«
»Pfirsichkuchen.« Sally strahlte. »Ein Rezept meiner Großmutter.«
»Oh.« Anna schloss die Augen und nahm den Duft in sich auf. Warmer Pfirsichkuchen an einem Sommerabend. »Wie spät, sagte Daniel, kommt er?«
»Gegen acht.«
Anna sah auf ihre Uhr. »Wissen Sie, Sally, ich denke, diese Menüzusammenstellung ist anstrengende Arbeit. Da müsste ich mich vorher ein wenig stärken.«
»Vielleicht mit einem Stück Pfirsichkuchen?«
»Ja, das
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