Die Macht der Angst (German Edition)
sie sagte. Dieses arme, reiche, verrückte Mädchen.
Sie hätte niemals herkommen sollen, nachdem sie wusste, dass ihr Vater mit Sicherheit herausfinden würde, was passiert war, aber sie hatte sich die Chance, Ronnie zu sehen, nicht entgehen lassen können. Dabei war sie auf Wolke sieben geschwebt. Ohne klar zu denken. Sie hatte die ganze Welt umarmen, Frieden schließen und allen vergeben wollen.
Aber niemand würde ihr vergeben. Sie war in einer Hundehütte festgekettet, und das Würgehalsband zog sich zu.
Entschlossen nahm sie die Schultern zurück. »Dad, ich wünschte, du würdest mir sagen, warum du so aufgebracht bist, anstatt –«
»Dein Timing ist unglaublich«, unterbrach er sie, sein Gesicht eine lächelnde Grimasse. »Du pickst dir den öffentlichkeitswirksamsten Moment der öffentlichkeitswirksamsten Veranstaltung des ganzen Jahres heraus, während von allen Seiten Kameras auf uns gerichtet sind, um mir diese Frage zu stellen?«
»Ich will doch nur kurz auf die Toilette, aber ich –«
»Du bist nicht fähig, auch nur die simpelsten Dinge allein zu bewältigen. Das hast du heute ausreichend unter Beweis gestellt.« Sein Wispern stach wie Nadeln in ihre Ohren.
»Aber ich –«
»Ich weiß, mit wem du zusammen warst. Und ich weiß auch, was du mit ihm getan hast. Ich bin angewidert, Edith. Mir fehlen die Worte.«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Warum? Was weißt du noch über ihn, außer dem, was Osterman ihm angetan hat und was nicht seine Schuld war?«
»Mehr muss ich nicht wissen. Er wurde von diesem Psychopathen beschädigt. Und ich weiß, dass er gefährlich ist, Edith, weil er mich körperlich angegriffen hat, und daran erinnere ich mich sehr gut. Er hegt einen tiefen Groll gegen mich, und jetzt hat er die perfekte Möglichkeit gefunden, mich zu demütigen, zu bestrafen und zu kontrollieren. Über dich.«
»Nein.« Sie schüttelte vehement den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Es ist nicht –«
»Ich werde das nicht zulassen. Die Sache findet jetzt und hier ein Ende!«
»Aber du hast einen komplett falschen Eindruck!«, protestierte sie. »Er ist nicht –«
»Schlimm genug, dass du seit Jahren in einem öffentlichen Forum um seine Aufmerksamkeit buhlst, und zwar durch diese verdammten Comic-Romane. Es war nur eine Frage der Zeit. Und jetzt, da er dich gefunden hat, muss ich dich vor ihm beschützen, nachdem du nicht in der Lage scheinst, das selbst zu tun.«
»Es würde mich nicht wundern, wenn er die ganze Sache gefilmt hätte«, mischte sich Marta ein, in ihren Augen ein hässliches Glitzern der Schadenfreude. »Gut möglich, dass er dein schmutziges kleines Abenteuer bereits im Internet gepostet hat, damit die ganze Welt sich daran ergötzen kann.«
Edie starrte von ihr zu ihm. »Das ist nicht wahr! Es ist eine abscheuliche Unterstellung! Er würde mir so etwas niemals antun.«
»Mäßige deine Stimme«, zischte ihr Vater. »Du hast mit ihm geschlafen! Wie konntest du nur so eine gottverdammte Idiotin sein?«
Ihr Rücken wurde kerzengerade, als etwas in ihr zu Eis erstarrte. »Ich habe nichts Falsches getan«, verteidigte sie sich mit stiller Würde. »Und er auch nicht.«
Ihr Vater schnaubte verächtlich. »Nein? Nun, ich habe genug davon, dich versuchen zu lassen, deine kleinen Nervenzusammenbrüche allein zu bewältigen. Ich werde dir ein für alle Mal die Hilfe beschaffen, die du brauchst. Und jetzt
lächle
, verflixt noch eins.«
Aber sie konnte es nicht. Es war einer der Aspekte, die ihr Vater am meisten an ihr hasste. Dass ihr ihre Gefühle ins Gesicht geschrieben standen, wo jeder sie sehen konnte. Jemand vom Catering-Personal, ein auffallend attraktiver Asiate, beugte sich vor ihnen über den Tisch. Mit einer eleganten Bewegung nahm er das Weinglas ihres Vaters weg und schenkte ihm ein frisches ein. Martas Augen funkelten in ihrem vom Botox starren Gesicht, ihr Blick strich über die breiten Schultern des Mannes und über seinen straffen Hintern, während er ihr nachschenkte.
Edie nutzte die Unterbrechung, um ihr Handy aus ihrer Handtasche zu ziehen. Sie hielt es unter den Tisch, während sie fast ohne hinzusehen textete:
probleme. wollen mich einweisen.
es war schön. danke. mach’s gut
Wein gluckerte in ihr Glas. Edie schaute auf. Die dunklen, unergründlichen Augen des Kellners bohrten sich in ihre. Für einen Moment fühlte sie eine gähnende Leere in der Magengrube, als wäre sie um ein Haar über den Rand einer Klippe getreten.
Dann bedachte der Mann sie
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