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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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kalabrischen Dialekt gelernt, einfach indem er Rosa und Tony zuhörte, und beide behaupten, dass er spricht, als würde er selbst aus Brancaleone stammen. Und dann noch das hier.« Er stand vom Tisch auf, öffnete ein zerschrammtes Holzschränkchen und kramte darin herum. »Guck mal.« Er holte mehrere Gegenstände heraus und präsentierte sie ihr. »Schau dir das an.«
    Fasziniert nahm Edie die seltsamen Objekte in die Hand und begutachtete sie von allen Seiten. Es waren, soweit sie das erkennen konnte, aus zurechtgeschnitzten Zweigen und Eicheln gefertigte Skulpturen.
    Die eine war eine Art schwebende Kugelform mit langen, abstehenden Armen, die andere eine zylindrische Spirale. Beide waren wunderschön. »Was stellen sie dar?«
    »Das hier ist ein Kohlenstoff-Atommodell«, erläuterte Bruno. »Ich weiß nicht mehr, welches Molekül. Kev fertigt sie an, ohne Bücher zu Hilfe zu nehmen, sondern setzt sich einfach mit seinem Messer raus auf die Treppe. Das hier ist ein Fragment der menschlichen DNA . Er hat mir erklärt, welcher Teil, aber es ging bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ich habe keinen Platz, um diese Art von Information abzuspeichern. Siehst du, wie er die Zweige zusammengefügt hat? Ohne Klebstoff.«
    »Sie sind fantastisch«, flüsterte Edie bewundernd.
    »Ja, absolut. Diese Skulpturen brachten mich überhaupt erst auf die Idee zu
Lost Boys
. Sie und die Drachen. Vor ein paar Jahren begeisterte er sich total für Lenkdrachen. Hast du die Mandala-Zeichnung an seiner Schlafzimmerdecke gesehen?«
    Die Erinnerung an ihr leidenschaftliches Intermezzo auf Kevs mit Blütenblättern bestreutem Bett zuckte durch ihren Kopf. »Äh, ja.«
    Mit großem Feingefühl wandte Bruno die Augen von der Röte, die ihre Wangen überzog, ab. »Dieser Drachen war unser erstes Produkt. Man findet ihn in Sportartikelkatalogen im ganzen Land. Dies sind die Designs, die er für die anderen entworfen hat.« Bruno drückte ihr einen Stapel Zeichenkarton-Kärtchen in die Hand. Edie breitete sie auf dem Tisch aus, um die Farben, die raffinierten geometrischen Muster zu bewundern. Sie schienen sich vor ihren Augen zu bewegen. »Wow. Sie sind wundervoll.«
    »Und sieh dir seine Bilder an. Tiere, Blumen, Blätter. Von mir gibt es auch welche, aber ich treibe ihn in den Wahnsinn, weil ich nicht stillhalten kann. Ich bin zu hibbelig.« Er verteilte die Skizzenbücher auf dem Tisch, wie ein kleiner Junge, der stolz seine Spielsachen herzeigt.
    Edie war bezaubert von seinem Eifer, Kevs Fähigkeiten zu belegen. Sie blätterte durch die Skizzen, und es verschlug ihr die Sprache. Sie waren so schlicht und doch so schön, bestachen durch ihre Sparsamkeit bei der Linienführung, den Details. Jeder Federstrich war essenziell und perfekt. Wieso überraschte sie das? Es war so charakteristisch für Kev.
    »Das ist einfach nicht gerecht«, bemerkte sie. »Er braucht nicht so viele Talente. Eins oder zwei sind genug für einen einzigen Menschen. Das ist nicht fair uns anderen gegenüber.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen«, stimmte Bruno ihr zu. »Er ist ein verfluchtes Genie. Wir haben uns im Lauf der Jahre daran gewöhnt, aber hin und wieder haut er uns noch immer aus den Latschen. Wie mit dem Vietnamesisch. Mann, das kam wirklich wie ein Blitz aus heiterem Himmel.«
    »Vietnamesisch? Was hat es damit auf sich?«
    »Es war unglaublich.« Brunos Augen leuchteten vor Vergnügen. »Kev hat irgendwann wieder zu sprechen gelernt. Das war vor vielen Jahren. Ich muss damals etwa vierzehn gewesen sein. Er fing an, ein paar Worte herauszupressen – allein mir zuliebe, vermute ich, obwohl er Blut und Wasser dabei geschwitzt hat. Dann kamen eines Tages der vietnamesische Lebensmittelhändler und sein Sohn zu uns in die Küche, um Obst und Gemüse anzuliefern. Sie redeten miteinander, als Kev sich plötzlich in die Unterhaltung einmischte. In perfektem Vietnamesisch. Und zwar ohne mühsam ein Wort nach dem anderen herauszuwürgen, als hätte er Brechreiz. Nein, die Worte strömten einfach aus seinem Mund. Er führte eine vollkommen flüssige Unterhaltung mit ihnen. Nachdem sie ihre Fassung wiedergefunden hatten, sollte ich dazusagen.«
    Edie fiel die Kinnlade runter. »Vietnamesisch?«
    »Genau. Unglaublich, oder? Tony hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Jedenfalls verbreitete sich die Geschichte wie ein Lauffeuer, und ein paar Tage später tauchte diese Sprachexpertin von der Oregon Health Science University bei uns im

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