Die Macht der Angst (German Edition)
Imbiss auf und wollte Kev sehen. Wie sich herausstellte, besuchte ihre Nichte zusammen mit dem Sohn des vietnamesischen Lebensmittelhändlers die örtliche Highschool. Sie war fasziniert. Tony versuchte, sie abzuwimmeln, aber sie wurde zickig und drohte, ihn wegen Missbrauchs, Versklavung und Ausbeutung einer benachteiligten Person den Behörden zu melden. Tony befürchtete, dass wer auch immer hinter Kev her war, ihn finden würde, sollte die Frau öffentlich Stunk machen, darum gab er klein bei. Das war das einzige Mal, dass ich das bei Tony erlebt habe. Es hätte ihn fast umgebracht.«
»Meine Güte«, entfuhr es Edie. »Was für eine aberwitzige Geschichte.«
»Junge, hat Tony sich über diese hochnäsige Ziege aufgeregt«, erinnerte Bruno sich genüsslich. »Sie hielt sich für ein Geschenk Gottes. Blond, lange Beine, lange Fingernägel, Stöckelschuhe, ungefähr acht Doktortitel.«
»Also hat sie eine Sprachtherapie mit ihm begonnen?«
»Ganz genau«, bestätigte Bruno. »Sie hat ihn mehrere Male pro Woche besucht. Sogar ohne etwas zu berechnen, allerdings vermute ich, dass sie spätestens dann eine Gegenleistung für ihre professionellen Dienste bekommen hat, als sie anfing, Hotelzimmer für ihre Sitzungen zu buchen. Damit sie die nötige Ruhe hatten, um konzentriert zu arbeiten, du verstehst? Nachdem sie diese Phase der Therapie eingeläutet hatten, machte Kev zügig Fortschritte. Wahrscheinlich begann er aus reiner Notwehr zu sprechen.« Bruno brach ab und setzte eine zerknirschte Miene auf. »Oh, Scheiße! Zu viel Information, nicht wahr? Ich sollte nicht über Kevs frühere Sexabenteuer quatschen. Frauen hassen so was. Was bin ich nur für ein Trottel. Entschuldige. Vergiss, dass ich das gesagt habe.«
Edie unterdrückte ein Lächeln. »Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht angenommen, dass Kev noch jungfräulich war, als wir uns kennenlernten. Darum entspann dich.«
Bruno reagierte erleichtert. »Gut. Ich wollte dir ja nur einen Anhaltspunkt geben, wie außergewöhnlich dieser Kerl ist.«
»Ich denke, das weiß ich«, versicherte sie ihm. »Ich habe schon jede Menge Anhaltspunkte gesammelt.«
Doch Bruno ließ nicht locker. »Das kannst du nicht wissen, weil er sich nie selbst lobt. Anzugeben würde ihm niemals in den Sinn kommen. Und er ist unbeschreiblich großzügig. Er würde am liebsten jeden Penny spenden, den er besitzt. Kev denkt nie an sich selbst.« Er runzelte die Stirn. »Damit will ich natürlich nicht sagen, dass er kein, nun ja, guter Ernährer wäre. Ich wollte nicht andeuten, dass er unzuverlässig ist oder dass –«
»Du musst ihn mir nicht schmackhaft machen. Ich bin längst überzeugt.«
Bruno grinste von einem Ohr zum anderen. »Wirklich? Das bist du?«
»Du rennst bei mir offene Türen ein.«
Plötzlich wirkte er verlegen. »Darüber bin ich froh«, murmelte er mit belegter Stimme. »Er verdient es, dass sein Leben eine positive Wendung nimmt. Er hat so viel durchmachen müssen, und er ist der beste Mensch, den ich kenne. Der allerbeste. Er hat mir das Leben gerettet, mich als seinen Bruder akzeptiert. Ich weiß nicht, was sonst noch alles. Er verdient den Himmel auf Erden.«
Edie überkam eine leichte Nervosität, als ihr Kevs Engel-Fantasie in den Sinn kam. »Der Himmel auf Erden bin ich nicht. Ich bin eine völlig durchschnittliche Frau, mit den gleichen Marotten wie jeder Mensch. Vielleicht sogar mehr. Ich werde ihn bestimmt bald in den Wahnsinn treiben.«
»Ach, das macht nichts. Er wird dich umgekehrt ebenfalls in den Wahnsinn treiben. Außerdem bezweifle ich sehr, dass du durchschnittlich bist. Durchschnittliche Mädchen werfen sich ihm seit Jahren an den Hals. Gelegentlich hat er mal eine gevögelt, aber er hat sich nie zuvor Hals über Kopf in eine verliebt. An dir muss also etwas Besonderes sein.«
Hmpf. ›Besonders‹ war nicht gerade das Wort, das sie gewählt hätte, aber nun gut. Sie wollte Bruno nicht enttäuschen.
»Kaue ich dir gerade ein Ohr ab?«, fragte er. »Kev hat mich gewarnt, das nicht zu tun, sonst würde er mich plattmachen. Tue ich es?«
Edie lachte. »Das stört mich nicht. Und wie sollte ich sonst sämtliche Details über ihn erfahren, nachdem er nicht angibt?«
»Gott sei Dank«, sagte Bruno inbrünstig. »Ich hasse es, wenn ich nicht quatschen darf. Dann stehe ich unter Druck wie ein Dampfkessel.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Wenn wir jetzt losziehen, schaffen wir es noch rechtzeitig zum Plateau. Mal sehen, ob Kev seiner
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