Die Macht der Angst (German Edition)
weit.
Dann erreichten sie das Tor, das aussah wie das einer mittelalterlichen Burg. Es war sehr massiv und aus schwerem, dunklem Metall gefertigt. Die gigantischen, rechteckigen Scharniere waren so groß wie ein Männerkopf. Es war gepanzert, mit Nägeln und Stacheldraht bewehrt.
Ein Schlüssel tauchte in Edies blasser, schmaler Hand auf. Er funkelte in dem Licht, das ihre schillernde Gestalt abstrahlte. Sie steckte ihn ins Schloss, drehte ihn um und die Tür schwang auf. Sie trat beiseite, bedeutete ihm einzutreten. Dahinter war nichts als Finsternis. Ihre Augen blickten unsagbar kummervoll.
Trauer erfasste ihn. Er fürchtete sich davor, allein hineinzugehen. Mit den Augen fragte er sie, ob sie mitkommen könne. Sie schüttelte den Kopf.
Nein
.
Zieh die harte Nummer durch
. Seinen ganzen Mut zusammennehmend, trat er an ihr vorbei und in die Dunkelheit. Knarzend ging die Tür zu. Jede Sekunde würde das dumpfe
Bumm
ertönen und ihn in der Finsternis einsperren.
Er drehte sich um und sah zurück, obwohl er wusste, dass er es nicht tun sollte, dass es ihn nur schwächen, ihn martern würde. Dann sah er es und erstarrte vor Entsetzen.
Die gigantische Schwarze Witwe kauerte hinter Edie in dem Tunnel. Ihr dicker, glänzender schwarzer Hinterleib fing Edies Licht ein und verzerrte es. Flatternde Fetzen ihres Spinnennetzes blockierten den Tunnel.
Der Rückweg war abgeschnitten. Es gab kein Entkommen für Edie.
Ihre Blicke trafen sich. Dunkle Tropfen rannen über ihr Gesicht. Eine Madonna, die Blut weinte. Das Resultat eines X-Cog-Sklaven-Interface. Sie wusste, dass es kein Entkommen aus dieser Falle gab. Sie war verloren.
Sie sagte ihm mit einem Blick Adieu. Die Tür fiel ins Schloss.
Rums
. Dann herrschte Dunkelheit.
Mit dem Knall packte ihn das blanke Entsetzen, gepaart mit dem unerträglichen Schuldbewusstsein, Edie in diese Sache hineingezogen, sie nicht besser beschützt zu haben. Panik, Nichtwahrhabenwollen und heißer Zorn duellierten sich in seinem Inneren.
Er hatte es vermasselt. Die harte Nummer war ein Irrweg. Der schlimmste Fehler, den er je begangen hatte. Sich wie eine verängstigte Maus in diesem Loch zu verkriechen, während Edie in grausamer Gefahr schwebte. Was war er nur für ein beschissener Feigling.
Das hier war schlimmer als der Tod. Er hatte nur an sich selbst gedacht, sich von Edie durch die Dunkelheit geleiten lassen wie von dem Fährmann über den Styx. Er hatte sie benutzt, anstatt sie zu retten.
Diese Ungeheuer würden sie bei lebendigem Leib fressen.
Er konnte nicht hier drinnen bleiben. Er musste hier raus, auch auf die Gefahr hin, jedes verfluchte Kapillargefäß in seinem Gehirn zum Bersten zu bringen.
Jetzt sofort
.
Der Zorn loderte heiß in ihm, und Kev schürte ihn weiter, mit allem, was er hatte. Mit all den unaussprechlichen Schrecken, die er aus seinem Bewusstsein, aber nicht aus seinem Körper oder seinem Herzen verdrängt hatte. All der Sehnsucht und Einsamkeit, der verbitterten Frustration, den Jahren stummer Verwirrung. Der blindwütigen Rage.
Seine Energie stieg an wie der Gasdruck in einem Vulkan, der sich bereit macht, seine explosive Ladung in die Atmosphäre zu schleudern. Sie wuchs, schwoll an …
Wumm
. Die Wucht der Explosion haute ihn um.
Als er die Augen öffnete, schnitt ihm das Plastikband um seinen Hals die Luftzufuhr ab. Kev hatte das Gefühl zu ertrinken. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es Blut war, das ihm aus der Nase in die Kehle rann und seine Atmung blockierte. Ava lag auf dem Boden. Sie hatte ebenfalls Nasenbluten. Sie stemmte sich in eine sitzende Position hoch und fasste sich benommen an den Kopf.
Irgendetwas hatte sich dramatisch verändert. Noch immer hatten ihn die krampfartigen Schmerzen fest im Griff, aber sein Bewusstsein … es war so leicht wie ein Ballon. Als wäre ein Fels heruntergewälzt worden.
Der blinde Fleck … war verschwunden.
Verschwunden
. Allmächtiger.
Bilder traten an seine Stelle. Kev sah Osterman, der ihm die Krone aufsetzte. Der ihn dazu zu bringen versuchte, ihm etwas zu verraten. Doch die Manipulation mittels X-Cog war ungeeignet, um Informationen zu erpressen, darum hatte Osterman ihn Gordon zum Spielen überlassen.
Gordon. Oh Mann. Jetzt erinnerte er sich an Gordons Foltertechniken und wünschte, er täte es nicht. An das Brennen, das Schneiden, an das hämische Vergnügen des Mannes. Detail für Detail driftete die Erinnerung zu ihm zurück. Fragmente eines brüllenden, blutigen, endlosen
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