Die Macht der Angst (German Edition)
Hause geblieben und hätte getan, was man mir sagte. Wie kannst du es wagen, mich zu kritisieren?«
Er stieß ein barsches Lachen aus. »Stell dir mal vor, wie ich mich gefühlt habe, als Bruno mir sagte, dass er dich im Haus deines Vaters zurückgelassen hatte. Wie ich mich fühlte, als Cheung meinen Geist vergewaltigte. Während sie mir erzählte, was sie für dich geplant hatte. Wie sie sich dabei amüsieren würde.«
»Ich musste zu Ronnie. Das war keine schlechte Entscheidung«, insistierte sie. »Das war notwendig! Du hättest das Gleiche getan!«
Kev ignorierte den Einwand. »Dann finde ich dich allein im Parrish-Gebäude, mit Marr auf den Fersen. Doch, Edie. Ich wage es, dich zu kritisieren.«
Sie warf die Arme in die Luft. »Du willst einfach nicht verstehen! Ich versuche mein Bestes! Ich wollte handfeste Beweise, um die Polizei von deiner Unschuld zu überzeugen! Ich habe nur versucht zu helfen, und wenn das deinen Harter-Macker-Ansprüchen nicht genügt, dann fick dich, Kev! Fick dich!«
Sie starrten einander an. Beide atmeten schwer.
»Hier ist er also«, sagte Edie mit angespannter Stimme. »Unser erster richtiger Streit. Der Moment der Wahrheit. Ich hatte dich gewarnt, Kev. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nicht dein strahlender Engel bin. Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ich begehe Dummheiten, treffe falsche Entscheidungen, aber ich bemühe mich nach Kräften, und ich verdiene eine Verschnaufpause!«
Seine Lippen zuckten. »Dann bin ich also auch nicht der rechtschaffene Superheld?«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte sie scharf. »Du bist unfair und misstrauisch und negativ und furchtbar gemein.«
Seine Miene wurde ausdruckslos. »Tja. Es war ein harter Tag.«
»Hart?« Edie lachte spöttisch. »Das ist deine Rechtfertigung? Wollen wir uns einen Wettkampf liefern, wer den härteren Tag hatte? Na los. Gib den Startschuss. Mal sehen, wer gewinnt.«
Er schnaubte. »Das könnte hässlich werden.«
»Es ist schon hässlich«, konterte sie.
Kev setzte sich aufs Bett und ließ den Kopf in die Hände sinken. So verharrte er reglos, bis Edie am liebsten auf ihn eingeschlagen hätte. »Verdammt noch mal, Kev. Hör auf damit! Sieh mich an. Komm wieder runter!«
Er schaute hoch. Der nackte Schmerz in seinen Augen gab ihr einen Stich in die Brust. »Wie konntest du das von mir denken?«, fragte er dumpf. »Ich dachte, du kennst mich. Es war das allererste Mal, dass ich … ach, scheiß drauf. Vergiss es einfach.«
Dieser manipulative Mistkerl wrang ihr Herz aus wie einen Spüllappen. »Wage es nicht, mir zu allem anderen auch noch Schuldgefühle einzureden!«, fuhr sie auf.
Aber er schaute sie immer noch an, als hätte sie ihm gerade ein Messer in die Brust gerammt. »Hör auf, Kev!«, brüllte sie. »Hör auf, mich so anzusehen!«
Er brach den Blickkontakt ab und schaute zu Boden. Was nicht besser war.
»So viel will ich dir sagen«, verkündete sie schließlich mit bebender Stimme. »Ja, ich kenne dich, Kev. Bis auf den Teil von dir, den niemand kannte. Den Teil, den du selbst nicht kanntest. Ich habe mich gefragt, ob dieser verborgene Teil vielleicht …«, sie atmete tief durch, dann sprach sie weiter, »… eine andere Geschichte erzählen könnte. Ich dachte etwa eineinhalb Minuten darüber nach, dann hatte ich es überwunden.«
»Du meinst so etwas wie eine gespaltene Persönlichkeit?«
»Es kam mir in den Sinn«, gestand sie. »Allerdings nur kurz.«
»Ich bin kein Killer«, antwortete er. »Seit meinem Erlebnis mit Ava erinnere ich mich wieder an alles. Ich habe diese Wand eingerissen.«
»Ich glaube dir. Denkst du, ich wäre sonst hier?«
Er hob den Kopf, doch er schaute an ihr vorbei, als müsse er Mut sammeln. »Mein Vater war ein schizophrener Paranoiker«, gestand er.
Edie war sprachlos. Sie hatte Mühe, das zu verarbeiten. »Äh. Nun, das tut mir leid«, meinte sie stockend.
»Es muss dir nicht leidtun. Ich wollte bloß, dass du es weißt. Nur für den Fall, dass du ein Problem damit hast. Es gibt da nämlich eine genetische Komponente. Er hat mich und meine Brüder aufgezogen. In kompletter Isolation. Wir wurden zu Hause unterrichtet. Er starb, als ich zwölf war. Es war eine bizarre Kindheit.«
»Sie kann nicht viel bizarrer gewesen sein als meine«, sagte sie leise.
Sein Herz tat einen Hüpfer. »Das ist eine großzügige Betrachtungsweise.«
»Wir sind nicht für die geistige Verfassung unserer Eltern verantwortlich. Es ist schwer genug, die Verantwortung
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