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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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als der Dealer die Startblätter ausgab. Kev warf einen Blick in die Runde, hielt nach verräterischer Körpersprache Ausschau. Laker streichelte schon seinen Stapel Chips, noch ehe die restlichen Karten ausgeteilt waren. Moriarty gefiel sein Blatt nicht. Kev bemerkte es an der Anspannung seiner Schultern, dem Zucken der Muskeln um seine Nasenflügel. In Chilikers’ Augen funkelte begierige Aufregung. Kev musterte verstohlen die anderen Spieler und speicherte die Daten ab.
    Er fächerte seine Handkarten auseinander. Ein Herzass, ein Pikass. In einer Fünferrunde gewannen Asse auf die Hand praktisch jedes dritte Mal, aber seine Kontrahenten spielten relativ zurückhaltend. Vermutlich würden nur drei oder vier Starthände gespielt, damit wäre er ein 3 : 2-Favorit. Kev wünschte, er könnte sich darüber freuen, aber er hatte zu starke Schmerzen. Sein Kopf pochte, und er hatte einen schweren Knoten im Magen. Sensorische Überlastung. Die Lautstärke war auf den höchsten Dezibelwert aufgedreht, und er konnte sie nicht runterfahren. Die frühere Dumpfheit – was immer sie verursacht haben mochte – war verschwunden, seit er auf diesem Baumstamm die Schwalbenschwanzfälle hinabgeritten war.
    Mann, wie sehr sie ihm jetzt fehlte.
    Sonnenbrillen und Ohrenstöpsel halfen, genau wie das Pokerspiel an sich. Gerüche dagegen setzten ihm schrecklich zu, allerdings konnte er schlecht mit einer Nasenklammer herumlaufen. Kev war es gewöhnt, angestarrt zu werden, aber selbst er hatte seine Grenzen.
    Er hätte die sensorische Überlastung aushalten können, wäre sie das Einzige gewesen, aber die Überlastung kam auch aus seinem Inneren. Eine emotionale Feuersbrunst tobte in ihm und ließ eine verkohlte Schneise der Verwüstung hinter sich zurück. Nach Jahren abgestumpfter Empfindungslosigkeit wusste er mit solch heftiger endokriner Aktivität nicht umzugehen.
    Trotzdem zog er es vor, diesen Zustand als emotionale Überlastung zu bezeichnen und nicht als ausgewachsene Psychose. Nicht, dass er wirklich einen Unterschied hätte feststellen können.
    Den Tag über surfte er auf Wellen blanker Wut und nackter Angst. Sobald sich diese Gefühle abschwächten, wartete bereits quälende Melancholie, abgewechselt von hibbeliger Euphorie. Zudem verspürte er ständig Lust. Schließlich hatte er seinen Mut zusammengenommen und Bruno danach gefragt. Dieser hatte ihn feierlich darüber aufgeklärt, dass konstantes sexuelles Verlangen mehr oder weniger normal für einen gesunden Kerl sei. Willkommen im Club. Bruno zufolge dachten Männer immerzu daran. Tag und Nacht liefen Pornofilme in ihren Köpfen ab. Doch wie der Durchschnittstyp es schaffte, den Alltag zu meistern, ohne sich in einer Tour bis auf die Knochen zu blamieren, blieb ein Mysterium für Kev.
    Wenn er überhaupt Schlaf fand, waren seine Nächte durchwoben von Träumen, in denen sich die schlimmsten Horrorszenarien abspielten, bevor sie ihn, high vor Adrenalin, zurück in einen wachen Bewusstseinszustand katapultierten. Kev nahm sich derzeit eine längere Auszeit vom Schlafen, weil er den Stress nicht mehr ertrug. Pokernächte waren erholsamer.
    Vorausgesetzt, seine Konzentration spielte mit. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Tisch und stellte fest, dass Laker mit zweihundert limpte. Kev erhöhte auf sechshundert und damit auf das Dreifache des Big Blind, wobei er durch den Mund atmete, um das Rasierwasser des Mannes nicht riechen zu müssen.
    Er befand sich in diesem beklagenswerten Zustand, seit er aus dem zweiten Koma erwacht war. Dasselbe Koma, das auf den Stress-Flashback gefolgt war, der eine plastische Wiederherstellungsoperation im Gesicht von Dr. Prateek Patil, Kevs Neurochirurgen, erforderlich gemacht hatte. Peinlich, wenn man bedachte, wie viel Arbeit der Arzt in Kevs verkorkstes Hirn gesteckt hatte. Er hatte es nicht verdient, dass Kev ihm seine Mühe damit lohnte, ihn halb totzuschlagen. Aber das Leben war nun mal selten fair.
    Er bezweifelte, dass er einen ähnlichen Anfall erleiden würde, sollte er Patil wiedersehen, allerdings wollte niemand diese Hypothese auf die Probe stellen, am wenigsten Patil selbst. Der Mann hatte eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt.
    Stevens, der sich auf dem Button befand, callte einen Raise von sechshundert. Kev zwang sich zur Konzentration. Stevens’ Blatt konnte nicht so gut sein. Seine typische Taktik bestand darin, bei einer guten Hand weiter zu erhöhen, um so die Spieler in den Blind-Positions zum Passen

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