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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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heimsuchte. Er hatte sogar einen visuellen Hinweis im Gesicht des bedauernswerten Patil gefunden.
    Osterman war der Troll, der Wache hielt vor der Tür, hinter der seine Erinnerungen verschlossen waren. Und ein Name war ein erster Ansatz. Es war ein Samenkorn. Ganze Wälder konnten einem einzelnen Samenkorn entspringen.
    Kev verfügte noch über eine spärliche Anzahl weiterer Informationen. Das Datum: 24. August 1992. Dann das Warenlager südlich von Seattle, wo Tony ihm das Leben gerettet hatte, als dieser Gangster ihn totzuschlagen versuchte. Tony hatte das Geschehen eine Weile über die Überwachungskamera beobachtet und schließlich eingegriffen, obwohl er lieber nicht in die Sache verwickelt worden wäre. Aber ihm hatte der Ausdruck in der Visage des Angreifers nicht gefallen, der das Ganze ein bisschen zu sehr zu genießen schien. Tony hatte ihn wie eine Ratte mit mehreren Schüssen aus seiner Beretta vertrieben, dann war er allein mit dem komatösen, blutüberströmten, zu Hackfleisch verarbeiteten Jungen zurückgeblieben. Einem Jungen ohne Identität, ohne funktionierendes Gehirn. Die reinste Totlast.
    Der selbsttätowierte Schriftzug »Kev« an seinem Bein war kein schlechterer Name als jeder andere, darum hatten sie es dabei belassen. Obwohl es Kev seltsam vorkam, dass er sich seinen eigenen Namen in die Haut gestochen haben sollte. Um ihn nicht zu vergessen?
    Hinzu kam der merkwürdige Umstand, dass er ganz passabel Vietnamesisch sprach. Das, in Verbindung mit seinen Kampffertigkeiten, hatte Tony zu der Überzeugung gebracht, dass er einer Spezialeinheit angehört haben musste. Aber Vietnamesisch? Eine Sondereinsatztruppe würde Sinn machen, wenn er Arabisch, Persisch, Paschtunisch, Kroatisch oder Spanisch spräche. Er war dreißig Jahre zu jung, um ein Vietnamveteran zu sein. Es ergab einfach keinen Sinn.
    Und dann seine mathematischen und wissenschaftlichen Kenntnisse. Kev besaß ein unerklärlich umfangreiches Wissen über theoretische Physik, Biochemie, Computertechnik, Geowissenschaften und Astronomie. Über die Physik des Fliegens, die Geschichte der Luftfahrt, die Migrationsgewohnheiten von Vögeln, Säugetieren und Insekten. Er kannte sich hervorragend in Erster Hilfe sowie in Sanitätswesen aus. Im Zimmermannshandwerk. Er konnte sogar nähen, Herrgott noch mal. Kev versuchte, die Punkte zu einem Muster zu verbinden, und heraus kam ein komplettes Wirrwarr. Nichts davon machte Sinn. Aber welches Leben machte schon Sinn?
    Seit seinem Sturz von den Schwalbenschwanzfällen waren seine Träume klarer geworden. Sie verweilten nach dem Aufwachen, anstatt sich sofort zu verflüchtigen. In seinem Kopf fand Bewegung statt, eine Verschiebung tektonischer Platten. Sie ging mit kleinen Dampfwölkchen und Ascheeruptionen einher, aber auf dramatische Erkenntnisse, einen Ansturm zurückkehrender Erinnerungen, einen Aha-Effekt wartete er vergeblich.
    So einfach wurde es ihm nicht gemacht. Da waren nur Gefühle und Bilder, die ihn neckten und pikten. Zum Beispiel sein kleiner Engel. Was hatte es damit auf sich? Das Mädchen in seinem strahlenden Kleid war zu perfekt, zu ikonisch, um real zu sein. Es erinnerte mehr an eine engelsgleiche Puppe, an ein himmlisches Symbol als an einen echten Menschen.
    Vielleicht hatte er verzweifelt eine sanftmütige Präsenz gebraucht, um Ostermans Verderbtheit entgegenzuwirken, und sein Gehirn hatte den kleinen Engel zu seinem Schutz erschaffen. Vielleicht war er früher religiös gewesen. Spirituell.
    Oder auch nicht. Kev erinnerte sich, jemanden aus einem Fenster geworfen zu haben. Das kam ihm nicht sonderlich spirituell vor.
    Trotzdem scheute er davor zurück, den Engel näher zu analysieren. Die Erscheinung hatte ihm das Leben gerettet, seine geistige Gesundheit bewahrt. Wann immer er in dieses lähmende schwarze Verlies in seinem Kopf abdriftete, klammerte er sich an ihr fest, und sie führte ihn sicher wieder heraus. Sie hatte ihn auch aus dem ersten Koma geholt, in dem Tony ihn vorgefunden hatte. Sie hatte ihm seine Sprache zurückgegeben. Ein Psychiater hätte ihre psychologische Funktion möglicherweise erklären können, aber darauf verzichtete er dankend. Kev war noch immer zu sehr von ihr abhängig, um zu riskieren, ihre Magie durch klinische Erklärungen zu zerstören.
    Das Erste, was seine Erinnerung nach dem Wasserfall-Unglück ausgespuckt hatte, war sein verzweifelter Versuch, irgendeinen Mann davon zu überzeugen, ihm zu helfen, ihm zu glauben, doch was es war, das

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