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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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gewonnen«, erinnerte er ihn in gedehntem Ton. »Er gehört Ihnen.«
    »Stimmt«, bestätigte Kev. »Aber ich brauche ihn nicht. Hab noch nicht mal einen Stellplatz dafür. Ich will ihn auch nicht versichern oder mir die Mühe machen, ihn zu verkaufen. Nehmen Sie ihn zurück. Bitte.«
    Chilikers schien in Versuchung zu geraten, doch dann presste er den Mund zu einem harten Strich zusammen. Er schnipste die Kippe zu Boden und trat sie aus. »Haben Sie etwa Mitleid mit mir? Ich brauch keinen verdammten Gefallen, Sie Penner. Sie haben ihn gewonnen. Behalten Sie ihn.«
    Kev hielt mit zusammengebissenen Zähnen die Luft an.
Ganz ruhig
. Vor den Schwalbenschwanzfällen hätte dieser Dialog noch nicht einmal sein Radarsystem erreicht.
Geh einfach
. Er hatte bereits einen Prozess wegen Körperverletzung am Hals.
    Kev entfernte sich, wobei er sorgsam darauf achtete, nicht zu hinken. Dann würde er eben mit Chilikers’ verfluchter Karre, um die er nicht gebeten hatte, nach Hause fahren. Er unterdrückte den Impuls der Dankbarkeit. Seinem Bein ging es besser, trotzdem hätte es ihn vierzig qualvolle Minuten gekostet, mit diesen grauenvollen Kopfschmerzen zu Fuß heimzuwanken.
    Kev spähte zum Himmel, als er in sein neues Auto stieg. Es roch nach Chilikers. Das war nicht gut. Er würde die Kiste so bald wie möglich loswerden. Es war später geworden als gewöhnlich, und sobald die Sonne aufging, würde sie lange, bösartige Nadeln des Lichts in sein pulsierendes Hirngewebe treiben. Doch dank seines fahrbaren Untersatzes konnte er sich einen Umweg gönnen, bevor er sich in seinem dunklen Schlupfloch verkroch.
    Er parkte vor einem runtergekommenen Klinkergebäude auf der Northeast Stark. Auf einem Schild neben der Tür stand: » ANY PORT – EIN HAFEN IN STÜRMISCHEN ZEITEN .« Es war ein Asyl für jugendliche Ausreißer. Man fand dort rund um die Uhr Krisenintervention, eine Notunterkunft, Einzel- und Familienberatung, übergangsweises betreutes Wohnen für obdachlose Jugendliche, Straßenhilfsprogramme und Hilfe für drogenabhängige Minderjährige. Kev hatte ein paar Internetrecherchen angestellt, und die Einrichtung gefiel ihm. Er zog das Geldbündel hervor, verstaute es in dem braunen Umschlag, den er eigens dafür in seiner Manteltasche mitgebracht hatte, schrieb den Namen der Leiterin darauf und klebte das Kuvert zu. Kev hätte ihnen auch den Wagen überlassen, hätte er durch den Briefschlitz gepasst, aber er sah sich nicht imstande, irgendeine zwischenmenschliche Interaktion zu bewältigen. Sein Kopf hämmerte, sein Kiefer schmerzte. Er pfriemelte den Umschlag durch den Briefschlitz und wartete, bis er den dumpfen Aufschlag hörte. Das ersparte ihm die Mühe, einen Überweisungsträger auszufüllen.
    Er hatte während seiner frühmorgendlichen Spaziergänge schon einiges erlebt. Einmal hatte er eine junge Prostituierte bis zur Tür von ANY PORT geleitet, nachdem er sie davor bewahrt hatte, von ihrem Freier nach Strich und Faden verdroschen zu werden. Den Freier hatte Kev wimmernd im Rinnstein liegen lassen. Dieser Wichser. Eine Jugendliche ins Gesicht zu schlagen. Kev bemühte sich um Toleranz, aber es gab Grenzen. Bei einer anderen Gelegenheit hatten ihm ein paar Schläger in der Nähe genau dieses Asyls aufgelauert, aber er hatte sie mühelos plattgemacht. Doch sonst verliefen seine morgendlichen Streifzüge meist ereignislos.
    Gott, sein Schenkel brachte ihn noch um. Seine Rippen. Sein Arm. Sein ganzer Körper.
    Kev bemerkte sein Spiegelbild in der Türscheibe. Er war so dünn, so ausgezehrt, seine Wangenknochen ragten hervor, darunter lagen tiefe Höhlen. Er starrte auf das Glas, suchte nach einem Wiedererkennungseffekt in dem Gesicht, das ihm entgegenblickte. Fand keinen.
    Das Einzige, was ihm geblieben war, war das, was er selbst aus sich gemacht hatte, seit Tony das zerschlagene Wrack seines Körpers vor achtzehn Jahren gefunden hatte. Das sollte eigentlich reichen, nur tat es das inzwischen nicht mehr. Seit dem Wasserfall regten sich Erinnerungen, und sein brennender Heißhunger darauf, mehr zu erfahren, trieb ihn mit hinterhältiger, begieriger Dringlichkeit vor sich her, so als würde etwas Schreckliches passieren, wenn es ihm nicht gelänge.
    Er parkte den Wagen auf der Northwest Lenox – einer Straße in dem wenig protzigen, noch nicht aufgewerteten nördlichen Randbezirk des Pearl District –, vor dem unscheinbaren Backsteingebäude, das sein Loft beherbergte. Seine Hand zitterte vor Erleichterung, als er

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