Die Macht der Angst (German Edition)
»Leg den Kopf zwischen die Knie.«
Über ihr brachte Ava eine Spritze zum Vorschein, dann zog sie für ihr Publikum eine kleine Show ab, indem sie schwungvoll ausholte, ehe sie sie dem Mädchen in den Arm stach. Die junge Frau quiekte und bäumte sich auf. Ava drückte ihren Körper wieder nach unten und zwang sie, die Taille abzuknicken.
Wums,
saß sie wieder auf ihrem Hintern.
»Ich benötige zehn Minuten, um die elektrischen Kontakte anzubringen«, erklärte Ava. »Wegen dieser Rastalocken dauert es ein wenig länger als sonst. Des, könntest du den Gentlemen in der Zwischenzeit Drinks von der Bar holen?«
Sie löste den Bremshebel an den Rollen von Keiras Stuhl, dann schob sie diesen ratternd über die weißen Kacheln in den Vorführraum.
Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, betätigte Des die entsprechenden Knöpfe, um den Bildschirm zu öffnen. Anschließend ließ er die Männer, mit eisgekühlten Bieren in den Händen, in bequemen Sesseln Platz nehmen. Tom beobachtete, wie Ava sich die Masterkrone und die Doppelsicht-Brille aufsetzte. An ihr sahen die Instrumente beinahe stylisch aus. Dann kümmerte sie sich um Keiras Helm, wobei sie von Zeit zu Zeit in die Videokamera schaute, sonnig lächelte und kokett winkte.
»Ich bin bereit«, rief sie. »Hast du einen Text ausgewählt, Tom?«, erklang ihre süßliche, kehlige, von sexueller Verheißung durchdrungene Stimme aus den Lautsprechern.
»Allerdings«, bestätigte er. »Kann Ava Deutsch?«, fragte er an Des gewandt.
Des grunzte zustimmend. »Ava hat den Überblick verloren, wie viele Sprachen sie beherrscht. Dr. O hat in den frühen Neunzigern intensiv mit dem Erlernen von Fremdsprachen herumexperimentiert.«
»Gut.« Tom zog ein gefaltetes Blatt Papier aus seiner Tasche und reichte es ihm. »Weil ich nämlich weiß, dass Keira es nicht tut.«
Des brachte den Zettel in den Vorführraum, wobei er hinter Keira vorbeiging, die krampfartig schluckte. Ein Zeichen, dass sie wach und bei Bewusstsein war und sich mit jedem Muskel, der ihr noch gehorchte, zur Wehr setzte. Paradoxerweise machte Widerstand ein Interface nur umso spannender. Manchmal waren es geballte Fäuste oder trommelnde Füße oder ein verzerrtes Gesicht. Das waren die guten Kandidaten. Die, die sofort erschlafften, verdarben die Sache.
Keira war eine Gewinnerin. Zu dumm, dass sie bei Einbruch der Nacht tot oder innerlich am Verbluten sein würde, sofern sie sie nicht vorher einschläferten. In der Regel gab Ava den Mädchen eine Injektion, um das Ganze zu beenden, bevor sie aus Nase und Ohren zu bluten begannen. Weniger Putzarbeit.
Aber Keira würde eine nette Show abliefern, bevor es so weit war.
Des setzte sich und hob sein Bier an die Lippen, sich behaglich bewusst, dass er seinen Teil beigetragen und sich seine Belohnung verdient hatte.
Ava faltete das Blatt Papier auseinander und überflog es. Sie sah zur Kamera hoch, ihre Augen hell vor Belustigung. »Interessante Wahl.«
»Würdest du bitte anfangen?«, forderte er sie ungeduldig auf.
Ava wandte sich Keira zu. Sie sammelte sich, ihr schönes Gesicht erstarrte zu einer Maske der Konzentration.
Keira hob den Kopf. Ihre Augen zuckten wie wahnsinnig nach rechts, nach links, nach unten und nach oben, so als folgten sie der Flugbahn einer irren Stubenfliege. Dann begann sie zu sprechen. Ihre Stimme klang kratzig und ein wenig tiefer als zuvor, aber die Worte waren einwandfrei zu verstehen. Des musste lachen, als er den Text aus
Mein Kampf
erkannte. Eine absurde, morbide Wahl, aber irgendwie passend.
Sie lauschten schweigend, während Keira die ersten paar Seiten aus Hitlers Manifest fehlerfrei und, ohne zu stocken, in fließendem Deutsch rezitierte. Die Stille hielt noch einen Moment an, nachdem das Mädchen geendet hatte.
»Beeindruckend«, kommentierte Tom.
Er markierte den Coolen, aber Des wusste, dass er ihn am Haken hatte. Nun ging es nur noch darum, ihn an Land zu ziehen und die Konditionen auszuarbeiten. Er trank einen Schluck Bier. »Warte ab. Das war noch gar nichts.«
Ava drehte sich zur Kamera um. »Ich brauche einen Freiwilligen für die nächste Phase«, sagte sie. »Um die Gefechtstauglichkeit des X-Cog zu demonstrieren. Ist einer der Herren mutig genug, es mit mir aufzunehmen? Besser gesagt mit uns?«
Tom runzelte überrascht die Stirn. »Ein Gefecht? Du meinst, gegen sie?«
»Ava beherrscht mehrere Kampfsportarten«, erklärte Des.
Tom sah zu seinen Männern. »Richard? Ken? Hat einer von euch
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