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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Baumeister
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erzählen oft einfach nur nacheinander ihre Geschichten, statt aufeinander einzugehen und Ratschläge zu geben. Aber wer seine Geschichte erzählt, ist gezwungen, seine Gedanken zu organisieren, sein Verhalten zu beobachten und Ziele für die Zukunft zu erörtern. Ein persönliches Ziel kann realer werden, wenn man es laut ausspricht, vor allem wenn andere dabei zuhören. Eine Untersuchung von Patienten, die sich einer kognitiven Verhaltenstherapie unterzogen, ergab, dass Vorsätze eher eingehalten werden, wenn sie in Anwesenheit anderer Menschen, vor allem der Partner, ausgesprochen werden. 129 Wenn Sie Ihrem Therapeuten versprechen,dass Sie weniger trinken wollen, trägt das offenbar weniger zu Ihrer Selbstdisziplin bei als ein Versprechen gegenüber Ihrem Partner. Er oder sie riecht schließlich Ihren Atem.
    Genauso sparen Sie eher Geld, wenn Sie anderen Ihr Ziel mitteilen. Wirtschaftswissenschaftler untersuchten eine Gruppe von chilenischen Straßenverkäuferinnen, 130 Näherinnen und anderen »Kleinunternehmerinnen«, die Mikrokredite von einer gemeinnützigen Organisation erhalten hatten. Die Frauen trafen sich einmal pro Woche in Gruppen, wo sie eine Ausbildung erhielten oder die Rückzahlung ihrer Kredite überwachten. Die Ökonomen Felipe Kast, Stephan Meier und Dina Pomeranz verteilten die Teilnehmerinnen nach dem Zufallsprinzip auf verschiedene Spargruppen. Die einen erhielten einfach ein kostenloses Sparkonto, die anderen bekamen ein Konto plus die Möglichkeit, in den regelmäßigen Treffen ihre Sparziele zu verkünden und ihren Fortschritt zu diskutieren. Nicht alle Angehörigen der zweiten Gruppe nutzten diese Möglichkeit, aber im Ganzen zahlten diese Frauen dreimal so oft auf ihr Konto ein und sparten 65 Prozent mehr Geld als die Teilnehmerinnen in der ersten Gruppe. In diesem Fall war offenbar Schweigen Silber und Reden Gold.
    Rauchen galt lange als persönliche körperliche Sucht, die mit unwiderstehlichen Impulsen in Gehirn und Körper der Raucher zusammenhängt. Es war daher eine überraschende Erkenntnis, als das
New England Journal of Medicine
im Jahr 2008 einen Artikel veröffentlichte, in dem nachgewiesen wurde, dass sich das Nichtrauchen wie eine Epidemie durch soziale Netzwerke ausbreitete. Der Mediziner Nicholas Christakis und der Sozialwissenschaftler James Fowler stellten fest, dass Nichtrauchen ansteckend wirkt. Wenn in einer Ehe ein Partner mit dem Rauchen aufhörte, nahm die Wahrscheinlichkeit dramatisch zu, dass der andere folgte. Auch wenn ein Bruder, eine Schwester oder ein Freund mit dem Rauchen aufhörte, hatte dies positive Auswirkungen. Selbst das Verhalten von Arbeitskollegen zeigte noch einen nachweisbaren Einfluss, solange das Unternehmen klein genug war. 131
    Besonders interessierten sich die Raucherforscher für Orte, an denennur einige wenige Menschen rauchten, denn man musste davon ausgehen, dass diese Menschen besonders süchtig sein mussten. Man hört immer wieder, dass Leute, denen es leichtfällt, mit dem Rauchen aufzuhören, dies schon längst getan haben, weshalb nur noch ein harter Kern von unheilbar Süchtigen übrig ist. Aber neue Erkenntnisse haben diese These widerlegt. Es gibt zwar Raucher, die auch allein weiterrauchen, doch Raucher, die vor allem von Nichtrauchern umgeben sind, hören mit größerer Wahrscheinlichkeit auf. Dies ist ein weiterer Hinweis auf die positive Rolle, die der gesellschaftliche Einfluss und die soziale Unterstützung spielen können. Untersuchungen zum Übergewicht und zur krankhaften Fettleibigkeit haben ähnliche Muster des sozialen Einflusses festgestellt, auf die wir später noch eingehen. 132
    Heilige Selbstbeherrschung
    Wenn Sie einer religiösen Gemeinschaft angehören und Gott um ein längeres Leben bitten, dann wird Ihre Bitte mit großer Wahrscheinlichkeit erhört. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, zu welchem Gott Sie beten. Nach Erkenntnissen des Psychologen Michael McCullough (der sich selbst nicht als religiös bezeichnet) scheint jede Form der religiösen Aktivität die Lebenserwartung 133 zu steigern. McCullough analysierte mehr als drei Dutzend Untersuchungen, in denen Testpersonen nach ihrer Frömmigkeit befragt und dann über einen langen Zeitraum hinweg beobachtet wurden. Dabei stellte sich heraus, dass nichtreligiöse Menschen eher starben und dass religiös aktive Menschen zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine um 25 Prozent höhere Überlebensquote aufwiesen. Die Zahlen sprechen Bände und wurden seit ihrer

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