Die Macht der Disziplin
Zusammenhang zwischen mangelndem Selbstbewusstsein und Problemen wie Drogensucht und Teenagerschwangerschaften, aber das bedeutet nicht, dass das mangelnde Selbstbewusstsein die Ursache dafür ist. Im Gegenteil, wenn ein heroinsüchtiges Mädchen im Alter von 16 Jahren schwanger wird, ist sie naturgemäß nicht sonderlich zufrieden mit sich selbst.
Nach den Erkenntnissen des Gremiums besitzt ein gesundes Selbstbewusstsein nur zwei eindeutige Vorteile: Erstens steigert es die Initiative, vermutlich weil es Selbstvertrauen verleiht. Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein sind eher bereit, für ihre Überzeugungen einzutreten und nach ihnen zu handeln, auf andere zuzugehen und neue Unternehmungen zu riskieren. (Dazu gehört allerdings auch eine verstärkte Bereitschaft, Dummheiten zu machen, selbst wenn andere dringend davon abraten.) Und zweitens fühlt es sich einfach gut an. Selbstbewusstsein ist eine Art Konto von positiven Emotionen, es vermittelt ein generelles Wohlbefinden und bietet bei Rückschlägen oder Depressionen zusätzlichen Halt. In einigen Berufen, zum Beispiel im Verkauf, kann dies durchaus nützlich sein, denn es hilft, mit den häufigen Zurückweisungen umzugehen. Doch diese Art der Hartnäckigkeit hat ihre zwei Seiten. Sie kann auch dazu führen, dass wir einen vernünftigen Rat in den Wind schlagen und stur Zeit und Geld mit hoffnungslosen Projekten vergeuden.
Oft ist es so, dass das Selbstbewusstsein nur der betroffenen Person nutzt – die Kosten haben andere zu tragen, die mit den Nebenwirkungen wie Arroganz und Eitelkeit fertigwerden müssen. Im schlimmsten Fall wächst sich Selbstbewusstsein zum Narzissmus aus, der unbeirrbaren Überzeugung von der eigenen Überlegenheit. Narzissten halten sich selbst für unfehlbar und sind ihrem großartigen Selbstbild verfallen. Sie spüren ein tiefes Verlangen, von anderen bewundert zu werden (wobei es ihnen weniger darauf ankommt, gemocht zu werden – sie wollen den Applaus). Sie erwarten, dass für sie der Teppich ausgerollt wird, und reagieren kratzbürstig, wenn sie kritisiert werden. Oft machen sie einen guten ersten Eindruck, doch der hält sich nicht. Als der Psychologe Delroy Paulhus Angehörige einer Gruppe bat, einander zu bewerten, waren die Narzissten zunächst die Lieblinge. 145 Doch nach einigen Monaten waren sie ans Ende der Liste gerutscht. Gottes Geschenk an die Menschheit ist oft ausgesprochen unausstehlich.
Psychologische Untersuchungen zeigen, dass der Narzissmus in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, vor allem unterjungen Menschen. 146 Professoren beklagen immer häufiger, dass ihre Studenten meinen, sie hätten gute Noten verdient, ohne etwas dafür tun zu müssen. Arbeitgeber berichten über Probleme mit jungen Arbeitnehmern, die schnell befördert werden wollen, ohne sich ihre Sporen zu verdienen. Der Trend zum Narzissmus zeigt sich auch in Songtexten der letzten drei Jahrzehnte: Ein Forscherteam unter der Leitung von Nathan DeWall zeigte beispielsweise, das die Wörter »ich« und »mir« in Hits immer häufiger vorkommen. Andere Musiker nahmen sich Whitney Houstons Botschaft zu Herzen: Zum Beispiel Rivers Cuomo, dessen Band Weezer 2008 einen Song mit dem Titel »The Greatest Man That Ever Lived« veröffentlichte – mit dem größten Mann aller Zeiten meinte sich natürlich der Sänger selbst.
Diese zunehmende Verbreitung des Narzissmus ist eine direkte Folge der Selbstbewusstseinsbewegung. Diese Tendenz wird sich in absehbarer Zeit kaum umkehren, denn die Bewegung lebt weiter, obwohl inzwischen bewiesen ist, dass sie Kinder weder erfolgreicher noch ehrlicher noch zu besseren Bürgern macht. Wenn sie an Hindernisse stoßen, verlieren Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein oft einfach das Interesse, wie die Untersuchung in Forsyths Psychologiekurs in Virginia zeigte. Wenn andere nicht erkennen, dass sie es mit einem außergewöhnlichen Menschen zu tun haben, dann ist ihnen eben nicht zu helfen.
Vorbild Asien
Ein Gruppe bleibt vom Trend zum Narzissmus unter jungen Amerikanern verschont: die Amerikaner asiatischer Herkunft. Das liegt vermutlich daran, dass die Eltern dieser Kinder weniger von der Selbstbewusstseinsepidemie infiziert wurden und von einer Kultur geprägt sind, in der die Disziplin eine wichtige Rolle spielt. Einige asiatische Kulturen messen der Selbstbeherrschung deutlich größere Bedeutung bei als die Vereinigten Staaten und andere westliche Gesellschaften.Chinesische Eltern und
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