Die Macht der ewigen Liebe
ihn wegschubsen würde, wenn ich mehr Platz brauchte. Auf Kopfspiele ließ er sich nicht ein. Bei ihm würde ich immer wissen, woran ich war.
»Was denn?«, fragte er. »Du schaust mich so seltsam an.«
»Ach nichts«, sagte ich. »Hey, hast du eine Ahnung, wie Erin bei sich zu Hause anrufen könnte?«
Ich erzählte ihm von meiner Unterhaltung mit ihr, und er zog die Stirn in Falten. »Sie wirkt so ausgeglichen, dass ich gar nicht darauf gekommen wäre, dass sie nicht gut drauf ist.«
Ich nahm meine Ohrringe ab und ging zur Kommode, um sie dort zur Aufbewahrung in eine Schüssel zu legen. »Das ist ihre Art, um von ihren Problemen abzulenken. Wo ich wütend werde, lächelt sie. In puncto innere Stärke könnte ich mir bei ihr vielleicht sogar noch was abgucken.
»Alcais ist ihr gegenüber also wirklich öfter mal gewalttätig geworden, oder?«
Ich nickte und knirschte mit den Zähnen. »Ich wünschte, ich hätte das alles schon bei meinem ersten Besuch in Pacifica gewusst. Ich hätte bestimmt einen Weg gefunden, ihm das heimzuzahlen.«
»Remington die Hitzige. Weh denen, die sich an Menschen vergreifen, die sie liebt!«
Als ich mich zu ihm drehte, lächelte er mich verständnisvoll an.
»Das macht dir wirklich nichts aus, oder? Dass ich für die Leute kämpfen würde, die mir am Herzen liegen, auch wenn das heißt, dass ich mich dabei in Gefahr bringe?«
Seine Antwort bedeutete mir viel, und das schien er zu spüren. Er ließ sich meine Frage einen Augenblick durch den Kopf gehen, bevor er antwortete: »Kein bisschen. So bist du nun mal. Ich schätze, es würde mir schon Sorgen machen, wenn du ständig dein Leben aufs Spiel setzen würdest, um meines zu retten, aber das würdest du auch nicht.«
»Ach nein?«, fragte ich, verwirrt über seine Gewissheit.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, würdest du nicht. Genauso, wie ich dir vertraue, dass du auf dich selbst aufpassen kannst, vertraust du mir auch. Und ich weiß, du würdest um Hilfe bitten, wenn du welche bräuchtest, so wie ich auch.«
Schon zum zweiten Mal hatte er das Thema »Vertrauen« angesprochen. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, dass dieses Wort einen so antörnte! Lächelnd trat ich ans Bett und krabbelte zu ihm. Dann setzte ich mich rittlings auf seine Oberschenkel, und seine Hände landeten auf meiner Taille.
»Darf ich?«, fragte er und zog an meinem Zopf. Ich nickte, und er zog das Haargummi herunter. Lockerte mein Haar, trennte mit den Fingern die Strähnen, sodass sie mir übereine Schulter hingen, und strich mit den Handrücken über meine Schlüsselbeine. Wie gebannt sah er mich an – und ich erschauerte.
»Was hast du da?«, fragte ich mit zittriger Stimme und deutete mit dem Kopf auf das Buch.
Er zuckte mit den Achseln. »Das habe ich in der Bibliothek gefunden. Es ist ein Buch über die griechische Mythologie. Da ist ein Abschnitt über den Phönix drin, der dich vielleicht interessieren könnte.«
»Liest du ihn mir vor?«, fragte ich, berührt von seiner Umsichtigkeit.
Er nickte, und ich legte mich neben ihn, sodass unsere Köpfe dasselbe Kissen teilten. Das war mir noch nicht nahe genug, und ihm wohl auch nicht, denn er schob einen Arm unter meinen Kopf und zog mich halb auf sich, sodass mein Bein auf seinem und mein Arm quer über seiner Brust lagen. Ich schmiegte mein Gesicht an seinen Hals, damit ich an ihm schnuppern konnte. Ich liebte seinen Duft. Er erinnerte mich daran, wie ich in San Francisco im Mondlicht neben ihm hergelaufen war. Wir kuschelten uns aneinander, als hätten wir uns schon immer gekannt. Keine Verlegenheit, kein Zögern.
»Es ist so selbstverständlich.« Ich bog den Kopf nach hinten und sah ihn an. »Das Zusammensein mit dir. Das hatte ich nicht erwartet.«
»Ich schon.« Er fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, immer wieder, und ich seufzte vor Genuss.
»Aber wie hast du das wissen können?«, fragte ich und berührte ihn am Kinn. Er hatte sich rasiert, und seine glatte Haut fühlte sich unglaublich gut an.
Gabriel küsste meine Hand und legte sie sich dann aufs Herz, sodass ich sein stetes Pochen spürte. »Weil wir zusammenpassen«, erwiderte er nur.
Seine leise Stimme strich zärtlich über mich hinweg, während er das Buch aufschlug und über Phönixe zu lesen begann. Es existierte jeweils nur ein Phönix, und alle fünfhundert Jahre starb das Tier in Flammen, allerdings nur, um aus der Asche wiederaufzustehen. Eine Geschichte erzählte davon, wie das Geschöpf sich selbst heilen konnte,
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