Die Macht der ewigen Liebe
ging davon. Verwirrt starrte ich ihm hinterher und öffnete dann den Umschlag.
Fühlst du dich besser? Es wird schon wärmer.
Unter diese acht Wörter hatte Gabriel eine Adresse geschrieben. Grinsend stand ich auf und machte mich zum Parkausgang auf, wo ich nach einem weiteren Taxi Ausschau hielt. Er hatte mir einmal gesagt: »Wann immer dich etwas bewegt, gehst du nach draußen.« Also hatte er mich ins Freie geschickt, weil er wusste, wie traurig ich war.
Kurze Zeit später ließ mich der Taxifahrer in einer Straße mit Blick auf die Kathedrale Notre-Dame raus. Ich bezahlte und lief in die Richtung, die er mir gezeigt hatte. Bald schon fand ich die Adresse und musste lachen, als ich sah, dass es sich um ein Café handelte. Wieder war Gabriel nirgends zu sehen, aber das überraschte mich nicht. Ich fand einen freien Tisch auf dem Bürgersteig, von dem aus ich die Menschen beobachten konnte. Plötzlich durchzuckte es mich: Ich war in Paris! Das arme Mädchen aus der New Yorker Bruchbude hatte es geschafft, sich von seiner Vergangenheit zu befreien! Wenn meine Mom das noch mitbekommen hätte, sie hätte sich so gefreut. Bei diesem Gedanken stiegen mir Tränen in die Augen, doch ich zwinkerte sie zurück.
Schluss mit der Heulerei!
Eine Kellnerin mit schwarzem Lockenkopf und gebräunter Haut stellte eine weiße Tasse mit Untertasse vor mir auf den Tisch.
»Oh, aber ich habe doch noch gar nicht bestellt«, protestierte ich.
Sie zuckte mit den Achseln, legte einen Umschlag neben die Untertasse und entfernte sich wieder.
Ich trank einen Schluck café au lait und schloss genussvoll die Augen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen so guten Kaffee getrunken hatte. Die O’Malleys hatten eine Vorliebe für Tee. Ich stellte die Tasse ab, um denUmschlag zu öffnen, wartete aber noch einen Augenblick, um die Vorfreude auszukosten.
Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich Kaffee liebe? Vor allem, wenn ich ihn auf dir schmecken kann. Du bist fast da!
Ich las die Nachricht noch einmal und stellte mir vor, Gabriel säße neben mir. Er würde mich küssen und mich in seinen Armen halten, bis mir die Sinne schwänden. Ich erschauerte und hätte mir beinahe die Zunge verbrannt, als ich hastig die Kaffeetasse leerte. Statt einer Adresse hatte Gabriel ein weiteres Ticket beigelegt. Es galt für eines der Schiffe, einem Bâteau-Mouche, das auf der Seine Richtung Eiffelturm fuhr. Ich ließ meine Blicke schweifen und entdeckte ein Schild der Schiffsgesellschaft am Flussufer. Ich legte das Geld für den Kaffee auf den Tisch und rannte los.
An der Anlegestelle reichte ich einem Mann das Ticket. Er grinste und übergab mir eine kleine, eingepackte Schachtel, bevor er mich an Bord winkte. Ich kletterte aufs Oberdeck, das einen atemberaubenden Rundumblick auf die Seine bot, und entdeckte einen freien Platz abseits der Touristen. Dann legte das Schiff vom Ufer ab und schipperte los. Ich versuchte, in jede Richtung gleichzeitig zu schauen, um auch ja nichts zu verpassen.
Schließlich schaute ich mir die Schachtel etwas genauer an. Sie hatte die perfekte Größe für Ohrringe oder für einen Ring, aber ich ging nicht davon aus, dass sich so etwas darin befand. Eine Sekunde lang musste ich an eine andere Schachtel denken, aber diesen Gedanken verdrängte ich blitzschnell. Gedanken an Franc waren hier wirklich fehl am Platz. Ich schüttelte Gabriels Geschenk ein wenig und hörte etwas klappern. Ungeduldig riss ich das Papier ab, öffnete den Deckel und starrte hinein.
Ein Schlüssel. Ein sehr altmodischer Schlüssel, mit demman wohl etwas ebenso Altes aufsperren konnte. Nur was? Diesmal gab es keinen Zettel mit einer Erklärung. Nachdenklich drehte ich den Schlüssel in meiner Hand herum.
»Er öffnet die Tür zu einem wunderschönen Apartment in der Nähe des Jardin du Luxembourg.«
Beinahe hätte ich den Schlüssel fallen lassen, als Gabriel neben mich glitt. Der Wind peitschte sein braunes Haar in alle Richtungen, und er kniff gegen die blendende Sonne die Augen zusammen. Hingerissen betrachtete ich sein kantiges Kinn, die hohen Wangenknochen und seinen sinnlichen Mund. Einen Mund, den ich küssen konnte, wann immer ich wollte.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte er, als ich ihn einfach nur anstarrte. Als hätte ich geantwortet, fuhr er fort. »Die Wohnung befindet sich in der Nähe etlicher Unis, darunter auch eine medizinische Hochschule. Und auch eine Musikhochschule ist gar nicht weit.
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