Die Macht der ewigen Liebe
husten. Es war das erste Mal, dass ich lachte, seit mein Vater entführt worden war. Die anderen im Raum hatte ich damit anscheinend genauso geschockt. Unter ihren forschenden Blicken lief ich rot an, und Ashers Blick war der schlimmste von allen, denn er schaute mich mit so verletzter Miene an, als hätte ich ihn verraten. Instinktiv wollte ich meinen Kopfschuldbewusst senken, doch dann reckte ich mein Kinn. Ich hatte wegen vieler Dinge ein schlechtes Gewissen, aber ich hatte ihn nie mit Gabriel oder sonst jemandem betrogen. Den Schuh zog ich mir nicht an!
Ich wandte mich direkt an Erin. »Der macht nur Spaß. Hier bist du sicher.«
Mit weit aufgerissenen Augen nickte sie. Aus ihrer Sicht war es bestimmt seltsam, Heilerinnen und Beschützer so miteinander umgehen zu sehen.
»Du wolltest mir gestern von meinem Vater erzählen …«, erinnerte ich sie. Ich hatte sie am Vorabend eigentlich noch dazu bewegen wollen, doch während Gabriel mir geholfen hatte, mich zu heilen, war sie aus dem Wohnzimmer verschwunden.
Mit einer schüchternen Geste klemmte sie sich das Haar hinter ein Ohr, dann redete sie mit mir, als wären wir allein im Raum. »Seit unserem Treffen auf der Fähre habe ich besser aufgepasst. Welche Anrufe kommen, welche gemacht werden. Hat aber überhaupt nichts gebracht. Früher ist Franc ständig bei uns aufgekreuzt, in letzter Zeit dagegen nicht mehr.«
Das stimmte mit unseren eigenen Beobachtungen überein. Asher hatte nur einmal mitbekommen, wie Franc sein Haus verlassen und nach Pacifica gefahren war.
»Was ist mit Alcais?«, fragte ich.
»Der ist oft stundenlang weggeblieben, hängt jetzt aber immer zu Hause rum. Möglichst in meiner Nähe. Deshalb konnte ich bis gestern auch weder anrufen noch mich wegstehlen. Vielleicht bin ich paranoid, aber es kam mir vor, als würde er … auf etwas warten. Und die Augen aufhalten.«
Ich nickte. »Klingt nur logisch. Schließlich weiß Franc, dass wir Freundinnen sind. Und dass du diejenige bist, die uns von Asher erzählt hat.«
»Das würde auch erklären, wieso uns gestern die Beschützer entdeckt haben«, meldete Asher sich zu Wort. »Falls sie dich beobachtet haben, könnten sie dir in der Hoffnung, du würdest sie zu Remy führen, gefolgt sein.«
»Oh nein, das tut mir so leid!«, sagte Erin und wich vor mir zurück. »Ihr müsst mich alle hassen!«
Ich lotste sie an die Küchentheke zurück. »Jetzt sei nicht albern. Du hast schon mehr als einmal dein Leben riskiert, um uns zu helfen. Niemand hasst dich.«
Sie wirkte nicht überzeugt. So wie Lucy und Lottie sie anfunkelten, verstand ich auch, wieso. Ich umarmte Erin und warf den beiden warnende Blicke zu. Erin war schon nervös genug, da mussten sie es nicht noch schlimmer machen.
»Na, und was ist dann passiert?« Ich nahm noch einen Schluck Kaffee.
»Zu dumm, aber Alcais hat sein Handy verloren, wobei ich möglicherweise etwas nachgeholfen habe. Ja, und wann immer jemand uns auf dem Festnetz angerufen hat, habe ich die Gespräche von meinem Zimmer aus belauscht.« Sie erschauerte und rümpfte dann angeekelt die Nase. »Übrigens, mein Bruder und Delia daten inzwischen. So bald werde ich mich von ihren Unterhaltungen nicht erholen.«
Ich stellte mir vor, was sie gesagt haben mochten. Delia, eine andere Heilerin im Teenageralter, war schon seit ewigen Zeiten in Alcais verliebt gewesen. Die beiden hatten sich in einer Tour angegiftet, und Alcais hatte Delias Fähigkeiten ausgenutzt, war bescheuerte Risiken eingegangen, weil er wusste, sie würde alles stehen und liegen lassen, um ihn zu heilen. Delia hatte mich nicht leiden können, doch ich war davon ausgegangen, dass Alcais bei ihr unten durch wäre, nachdem er Erin absichtlich verletzt hatte. Offensichtlich war dem nicht so.
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten«, meinte ich und zog eine Grimasse.
»Nein?«, fragte Erin. »Na egal, vorgestern rief jedenfalls Franc endlich Alcais an. In erster Linie ging es um unsere Patrouillengänge, doch am Ende der Unterhaltung erkundigte mein Bruder sich nach einem Päckchen. Er würde sich fragen, ob es schon weitergeleitet worden sei, und Franc erwiderte, darüber brauche Alcais sich keine Gedanken mehr zu machen. Dass Morrissey sich jetzt darum kümmere. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprachen, dann aber meinte Alcais: ›Ich würde gern Remys Gesicht sehen, wenn sie herausfindet, dass es weg ist.‹ Daraufhin brüllte Franc ihn an, weil er deinen Namen erwähnt hatte, und beendete
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