Die Macht der ewigen Liebe
Wir wirkten fast wie eine Familie.
Asher half Erin dabei, das Essen herauszutragen, und er schaffte es, eine Schüssel mit Obst zu retten, als er stolperte. Ich hörte, wie Erin murmelte: »Hast du das gespürt?«, und Asher darauf antwortete: »Habe ich! Übrigens, ich habe noch nie ein Mädchen verhauen, aber ich schätze, das würde ich auch spüren …« Sie lachte nur, und ich starrte sie überrascht an. War es zu fassen, dass sie einem Beschützer, der ihr drohte, einfach ins Gesicht lachte? Sie vertraute ihm, begriff ich. Lang hatte er nicht gebraucht, um sie für sich einzunehmen. Asher hatte das so an sich, wie ich aus eigener Erfahrung wusste.
Wir setzten uns, wobei Lucy und Lottie jeweils die Kopfenden einnahmen. Erin und Asher saßen auf der einen Seite, Gabriel und ich auf der anderen. Wie am Abend zuvor versprochen, passte Gabriel auf, dass er mir nicht zu nahe kam. Die Zeit würde schon noch kommen, da wir uns über unsere Gefühle klar werden konnten. Doch so weit war es noch nicht.
»Was habt ihr denn so getrieben, während wir weg waren?«, fragte Gabriel.
»Remy hat mich trainiert«, erklärte Erin.
Er sah mich überrascht an, und ich lächelte. »Na ja, sie soll sich ja verteidigen können.«
»Natürlich soll sie das«, stimmte er zu. Er betrachtete mich nachdenklich. »Und du selbst solltest eigentlich auch mal wieder trainieren.«
Ich stöhnte auf. Es war eine Sache, mit Erin zu arbeiten, ein Training mit Gabriel stand allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Da lag ich die größte Zeit flach auf der Matratze. Als ich den Gedanken noch mal Revue passieren ließ, brannten meine Ohren. Gabriel schien zum Glück nichts mitbekommen zu haben. Er reichte einen Teller mit Sandwiches weiter – und lächelte mich frech an.
Vielleicht also doch?
Ich räusperte mich und versuchte, gegen den Drang anzukämpfen, mich unter dem Tisch zu verkriechen.
»Er hat recht, Remy«, riss Asher mich aus meinen Gedanken. »Was du da mit Erin machst, ist ja toll, aber damit lotest du deine Grenzen nicht aus. Fürs Training bräuchtest du einen Beschützer als Gegenüber.«
Ich blickte mich um. »Na, was meinst du, Lottie? Das wäre für dich doch die Gelegenheit, mich ordentlich in die Pfanne zu hauen! Lust auf eine kleine Schlägerei?«
Lotties schmale Schultern erschauerten vor Widerwillen. »Äh, nein. Bei meinem Glück würde es noch damit enden, dass ich einen Bund mit dir eingehe und mir die nächsten zehn Jahre deine Gedanken anhören muss. Merci vielmals, aber: Nein danke.«
Vom anderen Tischende war ein Schnauben zu hören. Lucy grinste Lottie an. »Unwahrscheinlich«, erklärte sie ihr. »So läuft das bei Remy nicht.«
Ein höchst unbehagliches Gefühl kroch mir den Rücken hinauf. Lucy wusste, dass ich mit Asher einen Bund eingegangen war und danach mit Gabriel. Sie wusste auch, dass mein Bund mit Asher zerstört war, aber ich hatte ihr nichterklärt, inwiefern ich mich in dieser Hinsicht von anderen Heilerinnen unterschied. Vor mir hatten die Blackwells noch nie davon gehört, dass sich eine Heilerin mit mehr als einer Person zusammentat.
»Woher weißt du das?«, fragte Asher leise.
Sie knabberte am Ende eines leicht zerdrückten Sandwiches herum, bevor sie antwortete. »Dieses Buch, in dem ich gelesen habe, also das Buch, das Remy aus Alcais’ Zimmer hat mitgehen lassen. In dem steht was darüber.«
Erins Augenbrauen schossen hoch, und ich fuhr zusammen. Auf so blöde Art hatte meine Freundin eigentlich nicht erfahren sollen, dass ich ihren Bruder bestohlen hatte. »Es tut mir leid«, sagte ich deshalb. »Er hat sich so verdächtig benommen, und da …« Als sie lachte, verstummte ich.
»Darf ich dich Captain Klepto nennen? Bitte, bitte!« Dann wandte Erin sich an Lucy. »Darf ich es sehen?«
Meine Schwester rannte ins Haus und kam einen Augenblick später mit dem Buch zurück. Sie gab es Erin, die es zunächst musterte, um dann darin herumzublättern. Ihr Lächeln machte einem nachdenklichen Gesichtsausdruck Platz.
»Ich erinnere mich aus Francs Bibliothek daran. Ich glaube, es hat ein Beschützer geschrieben, wobei ich allerdings keine Ahnung habe, wie das Buch bei Franc gelandet ist.« Sie gab es Lucy zurück. »Ich bin mir nicht sicher, wieso Alcais sich dafür interessiert hat. Da steht ein Haufen extremistische Scheiße drin. Von Beschützern, die dafür plädieren, Kinder, in denen sowohl Heiler- wie auch Beschützerblut fließt, zu töten. Deshalb habe ich es schnell
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