Die Macht Der Könige
Während ich mit dem Schmied rede, kannst du seine Frau ja vielleicht überreden, dir aus der Hand zu lesen. Man sagt, daß diese S'danzofrauen etwas davon verstehen, die Zukunft zu lesen, und womöglich sieht sie dich ja bereits auf der Bühne!«
Die Verhandlung mit Dubro, dem Schmied, verlief recht zufriedenstellend, auch wenn er sich dafür entschuldigte, keine Erfahrung mit der Herstellung von Kronen zu haben. Was dem riesigen Mann überhaupt nicht gefiel, war die übertriebene Aufmerksamkeit, die Snegelringe Illyra, der Frau des Schmieds schenkte, aber er schritt auch nicht ein. Feltheryn nahm an, daß der Schmied sich albern vorgekommen wäre, wegen eines dicklichen Schauspielers mit beginnender Stirnglatze Eifersucht zu zeigen, und er hielt es nicht für angebracht, die Illusionen des Mannes schon zu diesem Zeitpunkt zu zerstören. Snegelringes Ruf als Frauenliebling würde sich noch schnell genug in Freistatt herumsprechen und der Truppe jede Menge Schwierigkeiten bereiten. Sollte es später dazu kommen, nachdem sich die Leute erst einmal daran gewöhnt hatten, die Aufführungen zu besuchen. Dann würde die Truppe damit fertig werden, daß sich selbst eine so korrupte Stadt wie Freistatt berechtigt fühlte, Schauspielern ihren moralischen Lebenswandel vorzuhalten.
Feltheryn fragte sich, warum Illyra, die Frau des Schmieds, sich so kleidete und sich auf eine Art schminkte, die sie für das ungeübte Auge wie ein altes Weib aussehen ließ. Lag es vielleicht an dem Respekt, der dem Alter gezollt wurde? Oder litt sie vielleicht an einer verborgenen Krankheit? Sie reagierte auf Snegelringes Aufmerksamkeit nicht so, wie die Frauen es für gewöhnlich taten. Die Maske der Seherin war gut aufgelegt, aber nach Feltheryns Einschätzung schien sie nur leicht verblüfft zu sein, als könnte sie nicht verstehen, warum Snegelringe mit ihr flirtete. Wußte sie möglicherweise nicht, daß Schauspieler Schminke genauso geschickt wie die S'danzos benutzten. Konnte es sein, daß sie nicht begriff, daß
Snegelringe die wunderschöne junge Frau unter der Maske erkennen konnte?
Feltheryn schob das Rätsel beiseite, eine weitere Beobachtung menschlichen Verhaltens, die er in seine Charakterstudien aufnahm, und schloß seine Verhandlung mit Dubro ab.
Lempchin hatte die Seherin nicht in der Stimmung vorgefunden, ihm kostenlos die Karten zu legen, und statt dessen um Gebäck gebettelt, was Snegelringe dazu veranlaßte, ihm ein paar Ohrfeigen zu verpassen, als sie den Basar verließen und zum Theater zurückkehrten.
An dem Theater, das im Gemäuer eines während der Pestaufstände abgebrannten Hauses entstand, wurde immer noch gebaut. Es lag zwischen der Westtor- und der Hauptstraße, nahe genug am Palast, daß der Prinz es bequem
erreichen konnte, aber doch weit genug von den rankanischen Adligen entfernt, so daß sie sich in ihrer vornehmen Zurückgezogenheit nicht gestört fühlten. Molin hatte ursprünglich vorgeschlagen, die Schauspieler in einiger Entfernung vom eigentlichen Theater unterzubringen, vielleicht im Westviertel, wo zur Zeit neue Häuser entstanden, aber Glisselrand hatte ihm mit ihrer gekonntesten Geziertheit
klargemacht, daß sich eine Frau nicht sicher fühlen würde, wenn sie eine solche Entfernung allein zurücklegen mußte, und daß es Molin unvernünftig viel Geld kosten würde, ihr eine zuverlässige Eskorte mitzugeben. Sie hatte ihre Worte so gewählt, daß dem Priester außer einer groben Beleidigung keine Möglichkeit geblieben war, ihr vorzuschlagen, sich
entweder ihre eigene Eskorte zu besorgen oder ohne sie auszukommen. Deshalb wurde ein Wohnflügel an das Theater angebaut, der zwar klein aber immer noch besser als alles war, was sie in den Arbeiterunterkünften in der Schlachtergegend hätten finden können.
Vashankas Hohepriester hatte sich sogar persönlich dem Bau angenommen, als würde die Fertigstellung der Mauern, an denen er so lange gearbeitet hatte, seine Kreativität nicht ausreichend beanspruchen. Er hatte Pläne für eine sehr großzügig gestaltete Bühne unterbreitet und war überhaupt nicht beleidigt gewesen, als Feltheryn ihn mit größtem Nachdruck auf die Notwendigkeit eines Bühnenhauses im obersten Stock und von Garderoben hinter und neben der eigentlichen Bühne hingewiesen hatte.
Der Bau war vorangeschritten, und nun begann das Gebäude allmählich den Theatern in Ranke ähnlich zu sehen. Es gab ein Proszenium mit Logen für die wichtigen Leute, die nicht nur sehen,
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