Die Macht der Macht
Speziell wenn diese Affären in der Vergangenheit unentdeckt blieben, werden die Protagonisten dazu neigen, ihr Verhalten eher noch zu intensivieren. Bei Licht betrachtet sagen vergangene Erfahrungen leider nur selten etwas über zukünftige Erfolge aus. Das Leben allerdings ist so komplex und kompliziert, dass wir gerne nach den – scheinbaren – Sicherheiten vergangener Erfahrungen greifen.
Unser »gesunder Menschenverstand« geht von einer Reihe eingebauter Voraussetzungen aus. Rupert Riedl beschreibt in seiner Biologie der Erkenntnis die Grenzen biologisch vor-eingestellter Annahmen, die unser Erkennen und Handeln erleichtern, aber genau dadurch eben auch begrenzen. Die »Hypothese vom anscheinend Wahren« beschreibt unsere Tendenz, nach Regeln und Kausalitäten zu suchen. Menschen fällt es schwer, Zufälle zu erkennen. Wir suchen bei Wahrnehmungen oder Ereignissen nach einer Regel, nach einem inneren Zusammenhang. Ein Beispiel dafür sind die Sternbilder am Himmel, die natürlich keine reale Entsprechung in der Raumordnung der Sterne haben. Wir suchen und finden trotzdem ein Muster in der räumlichen Anordnung der als zusammengehörig wahrgenommenen Sonnen. Die »Hypothese vom Vergleichbaren« lässt uns erwarten, dass Ähnlichkeiten in einzelnen Merkmalen auch eine allgemeine Konstanz bedeuten. Deswegen erkennen wir beispielsweise eine Katze schon dann, wenn wir nur ihre Ohren sehen. Und die »Hypothese von der Ursache« enthält unsere Annahme, dass sich Gleiches in gleicher Weise wiederholen wird und dass ähnliche Ergebnisse identische Ursachen haben. Das sind Gründe, warum wir häufig wenig flexibel sind. Vielmehr wiederholen und intensivieren wir unsere Bemühungen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, wenn wir es in der Vergangenheit auf genau diesem Weg erreicht haben. Wenn es bisher funktioniert hat, wird es auch in Zukunft gut gehen. Glauben wir.
Das Gefühl der scheinbaren Unangreifbarkeit ist ein weiterer Grund, warum so viele mächtige Menschen hohe Risiken eingehen. Mächtige Menschen haben einiges erreicht in ihrem Leben, und sie neigen zu der Ansicht, dass ihnen gewisse Belohnungen einfach zustehen. Und sie finden natürlich leicht willfährige Mitstreiter. Doch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung steigt natürlich mit dem Grad der Bekanntheit – Prominente stehen viel stärker unter Beobachtung als Frau und Herr Jedermann. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff kann ein Lied davon singen. Erfolgreiche Menschen sind risikobereiter. Das bedeutet auch, dass sie kontinuierlich Regeln brechen (müssen), um ganz nach oben zu kommen. Wenn es die »richtigen« Regeln sind und der Regelbruch erfolgreich ist, dann geht es häufig steil aufwärts auf der Karriereleiter. Geschichte wird immer vom Sieger geschrieben. Wenn die »falschen« Regeln gebrochen werden, holt man sich allerdings ein blaues Auge oder landet sogar im Gefängnis.
Denken Sie nur an die vielen Betrügereien bei den Promotionen von Guttenberg bis Koch-Mehrin oder denken Sie an die vielfachen Bestechungsskandale in Österreich und anderswo. Übrigens hatte auch Martin Luther King in seiner Ph.D.-Arbeit, dem Pendant zur deutschen Dissertation, abgeschrieben.
Prominente, egal ob aus Politik, Wirtschaft oder Medien, sind natürlich außerordentlich sichtbar. Präsenz in der Öffentlichkeit ist ein wichtiger Baustein des Erfolgs, sie gehört zum Geschäftsprinzip. Und mit dieser Sichtbarkeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Fehltritt entdeckt wird, steil an. Solche saftigen Storys sind zudem immer ein wahres Vergnügen für das Publikum – ob im privaten Bereich oder in der Presse.
Berühmten Personen mit Affären macht heutzutage allerdings die veränderte öffentliche Moral zu schaffen. Inunserer westlichen Kultur wird promiskes Sexualverhalten mittlerweile nicht mehr totgeschwiegen und meist nicht mehr toleriert. In den USA ist die öffentliche Meinung in Sachen Moral konservativer als in Europa, speziell in Frankreich und Italien. In Europa sind mächtige Politiker aus beiden Ländern für ihre Affären bekannt. Spitzenpolitiker setzen die Macht ihres Amts immer wieder rücksichtslos für eigene Zwecke ein. Ob es François Mitterand war (Spitzname in Frankreich »Dieu«), der Staatsgelder ungestraft für den Unterhalt seiner Zweitfamilie einsetzte, ob es Berlusconi ist, der seine Feste mit einer Heerschar junger Prostituierter aufwertet, keiner erlitt dadurch in der öffentlichen Meinung wirklich
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