Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
Stück weit in die Vergangenheit eingetaucht.
»Wir brauchen einen Sänger«, verkündete Uriel. »Trace?«
Alle lachten.
»Klar doch, wenn ich euch die Vorstellung versauen soll, gerne«, sagte er und rappelte sich hoch. Will zerrte ihn zurück auf seinen Sitzplatz.
»Sky?«, fragte Yves.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich singe nicht.«
»Du bist sehr musikalisch ... wir haben doch schon zusammen gespielt«, sagte er.
Ein Anflug von Panik erfasste mich. Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen. »Ich singe nicht.«
Uriel schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Früher hast du’s getan.«
»Aber heute nicht mehr.«
»Warum nicht?«, fragte Zed sanft. »Das liegt doch jetzt alles hinter dir. Du hast dir die Erinnerungen angesehen und kannst sie nun beiseitelegen. Heute beginnt dein Neuanfang.«
Allerdings nicht der Neuanfang, den er im Sinn hatte. Oh Gott, steh mir bei.
Karla reichte den Teller mit Keksen herum und versuchte, die leicht angespannte Atmosphäre aufzulockern. »Lasst sie. Niemand muss singen, wenn er nicht will.«
Aber ich wollte ja. Jenseits der Angst wusste ich, dass es mir als Musikerin sehr gefallen würde zu singen, meine Stimme als Instrument zu benutzen.
»Komm schon, ich sing mit dir zusammen.« Zed streckte seine Hand nach mir aus.
»Singen wir doch einfach alle«, schlug Uriel vor. »›Joy to the World‹?«
»Ich spiele Saxofon«, sagte ich ausweichend. Meine Mum hatte mir mein Instrument vorher noch vorbeigebracht, da sie wusste, wie sehr Musik mich trösten konnte, wenn es mir nicht gut ging.
Und dann zeigt sich, dass die Benedicts nicht nur gute Stimmen hatten, sondern sogar in bester Chorqualität mehrstimmig singen konnten. Selbst Trace trug ein paar Bassnoten bei, ohne sich zu blamieren.
Am Ende schloss Zed mich in die Arme. »Du spielst echt fantastisch Saxofon. Als Instrument kommt es der menschlichen Stimme am nächsten, finde ich.«
Ich nickte. Mein Tenorsaxofon bot mir die Möglichkeit zu singen, ohne es tatsächlich zu tun. Es mochte der menschlichen Stimme sehr nahekommen, aber ich spürte, dass das Zed noch nicht genügte. Er wollte alles von mir und wusste, dass ich mich zurückhielt.
In dieser Nacht überließ mir Zed sein Zimmer und schlief bei Xav. Trotz meiner inneren Anspannung war ich psychisch so erschöpft, dass ich tatsächlich durchschlief, die erste ungestörte Ruhepause, die ich seit meiner Entführung hatte. Als ich am folgenden Morgen erwachte, hatte es mein Hirn geschafft, sich über Nacht neu zu ordnen wie ein Computer beim Defragmentieren. Nachdem ich durch meine Kindheitserinnerungen gestolpert war, fiel mir wieder alles ein, was in Las Vegas passiert war. Kelly hatte mich Stück für Stück auseinandergenommen. Er hatte mich so schlimme Dinge über Zed und Xav glauben gemacht, hatte sein Gift überall in meinem Geist verspritzt - und ich hasste ihn dafür. Aber jetzt hatte ich mich wieder unter Kontrolle; ich konnte die Wahrheit von der Lüge unterscheiden, und das sollte gefeiert werden. Ich konnte es kaum erwarten, meine Entdeckung Zed mitzuteilen.
»Hey!« Ich platzte in Xavs Zimmer, das gleich nebenan lag. Zed schlief noch, eingemummt in einen Schlafsack, auf dem Fußboden. Xav lag lang ausgestreckt auf seinem Bett und schnarchte mit offen stehendem Mund.
»Zed!«
»W... Was?« Er strampelte sich aus dem Schlafsack hoch und riss mich in seine Arme; offenbar dachte er, wir müssten angegriffen worden sein. »Was ist los?«
»Ich weiß, wer mich entführt hat! Ich erinnere mich jetzt an alles.«
Plötzlich ging mir auf, dass ich nur in T-Shirt und Schlüpfer dastand. Hätte ich mir doch bloß noch etwas angezogen!
»Ähm, kannst du Trace und Victor holen, Zed?«, fragte ich. »Ich muss ihnen etwas sagen.«
Zed hatte unterdessen Zeit gehabt, richtig wach zu werden. Er grinste und tätschelte mir den Hintern. »Geh und wirf dir ’nen Morgenmantel über. Ich hole sie aus ihren Betten und dann kommen wir runter in die Küche. Mom und Dad werden das auch hören wollen.«
Woran ich mich erinnerte, erzählte ich allen bei einer Tasse Tee - meine englischen Gewohnheiten traten genau jetzt zutage, wo ich höchst verunsichert war. Die Erinnerungen waren grauenhaft: das Hotel, Daniel Kelly, der mir Bilder eintrichterte, der Sohn, der mich wie ein fetter weißer Hai umkreiste.
Victor nahm das, was ich sagte, auf Band auf und nickte dabei, so als würde ich bestätigen, was er sich die ganze Zeit schon gedacht hatte.
»Noch
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