Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
alles verstehst, Sky. Weißt du, das ist ... ich weiß nicht ... vielleicht ist das so wie bei Fahrstuhlmusik. Sie dudelt die ganze Zeit im Hintergrund, aber man hört sie erst, wenn man drauf aufmerksam geworden ist. Und dann gibt’s ab und zu einen Tusch und mir stehen die Bilder gestochen scharf vor Augen, und dann laufen ganze Szenen ab. Ich kenne die Leute nicht immer und weiß nicht, was das alles bedeuten soll. Die Zusammenhänge erkenne ich erst viel später. Ich kann versuchen, die Dinge aufzuhalten, aber für gewöhnlich passieren sie einfach, allerdings auf eine Weise, mit der ich nicht gerechnet habe. Ich versuche das Ganze auszublenden - und das gelingt mir auch eine gewisse Zeit, aber sobald ich es vergesse, kehrt es zurück.«
Ich fand, das klang eher nach einer Strapaze als nach einer Gabe. Er war also allen einen Tick voraus, sobald er sich einklinkte.
Dann ging mir ein Licht auf.
»Du verdammter Schummler!« Ich knuffte ihn in die Seite. »Kein Wunder, dass du beim Baseball nicht zu schlagen bist und beim Fußball wie verrückt Tore schießt!«
»Ja, manchmal hat’s auch seine Vorteile.« Er wandte mir das Gesicht zu und grinste. »Und du hast auch schon davon profitiert, oder?«
Ich erinnerte mich an meinen Glückselfmeter. »Oh.«
»Ja, oh. Für dich habe ich den perfekten Torrekord geopfert.«
»Wohl kaum - du hast wie viele? Zwanzig Schüsse reingemacht?«
»Nein, im Ernst. Woran erinnern sich die Leute, wenn sie an das Spiel denken? Daran, dass ich viele Tore geschossen habe? Oder daran, dass du den einen Ball gehalten hast? Das wird mich bis in mein Grab verfolgen.«
»Idiot.« Ich gab ihm einen Klaps.
Er hatte die Frechheit, mir ins Gesicht zu lachen. »Jetzt reicht’s aber. Dann muss ich dich eben wieder ein bisschen ablenken, damit du mich kein zweites Mal haust.«
Er lehnte sich vor, um mich zu küssen, doch plötzlich hechtete er nach vorn und riss mich zu Boden. Keine fünf Fuß von uns entfernt splitterte ein Baumstamm. Zeitgleich hörte ich einen Knall wie von einem fehlzündenden Auto.
Zed zerrte mich hinter einen umgestürzten Stamm, drückte meinen Kopf nach unten und legte sich schützend halb auf mich. Er fluchte.
»So was war aber nicht vorgesehen!«
»Geh runter von mir! Was war das?« Ich versuchte hochzukommen.
»Bleib unten.« Er fluchte erneut, diesmal in etwas blumigeren Worten. »Jemand hat auf uns geschossen. Ich hole Dad und Xav.«
Ich lag regungslos unter ihm, mein Herz hämmerte.
Krach! Ein zweiter Schuss schlug nicht weit über unseren Köpfen in den Baumstamm ein.
Zed rutschte von mir herunter. »Wir müssen hier weg! Zwäng dich unter dem Stamm hindurch und lauf dann zu der großen Kiefer da drüben.«
»Warum rufen wir ihm nicht einfach zu, dass er auf Menschen schießt?«
»Er ist nicht auf der Jagd nach Wild, Sky, der ist hinter uns her. Lauf!«
Ich quetschte mich durch die Lücke zwischen Boden und Stamm, rappelte mich hoch und rannte los. Ich konnte Zed hinter mir hören - ein dritter Schuss - dann riss er mich von hinten zu Boden und stieß mir im Fallen seinen Ellbogen ins Auge. Ein vierter Schuss schlug in den Baum vor uns ein, genau auf der Höhe, auf der sich eben noch mein Kopf befunden hatte.
»Verdammt. Tut mir leid«, sagte Zed, während mir Sternchen vor den Augen tanzten. »Den habe ich ein bisschen spät gesehen.«
Besser halb ohnmächtig als tot.
Ja, schon. Tut mir trotzdem leid. Bleib ganz ruhig liegen. Dad und Xav jagen jetzt unseren Jäger.
Ich glaube, er ist nicht allein.
»Was?« Er hob ein kleines Stück den Kopf, um mir ins Gesicht zu sehen. »Woher weißt du das?«
»Keine Ahnung. Ich kann’s einfach spüren.«
Zed stellte meine Eingebung nicht infrage und gab diese Information an seinen Vater weiter.
»Ich habe ihm gesagt, dass er vorsichtig sein soll.« Zed blieb auf mir liegen, er wollte mich unter allen Umständen aus der Schusslinie halten. »Es könnte eine Falle sein, um ihn hervorzulocken. Wir müssen zum Haus zurück. Hinter dieser Böschung ist ein Wasserlauf. Wenn wir es dorthin schaffen, können wir ungesehen in einem weiten Bogen zurückschleichen. Okay?«
»Okay. Wir kommen wir dahin?«
Zed lächelte verbissen. »Du bist unglaublich, Sky. Die meisten Leute wären spätestens jetzt durchgedreht. Wir kriechen. Wie Eidechsen. Ich geh voran.«
Er glitt bäuchlings über den Boden bis zur Böschungskante, dann rutschte er darüber hinweg und war außer Sicht. Ich folgte ihm und versuchte, nicht
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