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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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abgeschabten Wasserbeutel und eskortierte sie zum Südtor, wobei er ihr die Richtung wies. Sie mußte Akkabar umgehen und sich dann nördlich halten, aber nicht vor der Abenddämmerung. Ihr Leben in Akkabar war vorbei. Er sprach ein Gebet für sie und sagte ihr, daß sie sich in den Schatten eines leeren Anbaus am Tor setzen solle.
    »In der Nacht«, sagte er. »Wenn es sich abgekühlt hat. Shalaym alaycham.« Während des Gebets und der Verabschiedung verfiel er in den umgangssprachlicheren Ton der Politiker der Stadt. Er händigte ihr den Wasserschlauch aus und zog sich dann durch das Tor zurück.
    Reah schaute ständig auf die flache Flußebene, bis ihr die Augen tränten. Sie schlief eine Weile und erwachte vom entfernten Summen nachtaktiver jagender Insekten. Die Dunkelheit brach herein. Sie erhob sich vorsichtig, klopfte den Staub aus dem Umhang, begann die Wanderung um die Mauern der Stadt und schlug schließlich eine nördliche Richtung ein.
    Im Norden lebten die Habiru, wohlhabender als die Moslems, aber ebenfalls verflucht. Bei ihnen könnte sie vielleicht Essen und Unterkunft erhalten. Während sie marschierte, fuhr sie mit den Fingern an den Lehmkugeln eines Rosenkranzes entlang und sprach unbeholfene Gebete, von Herzen kommende Danksagungen für erstklassige Lumpen, saubere Knochen, Metallstücke, Glassplitter und genießbare Nahrung.
    Keine lebende Stadt hatte jemals das Schwemmland betreten. Vor tausend Jahren, vor dem Exil, war der alte Fluß durch das ganze Land geströmt. In der Erinnerung der Städte tat er das auch heute noch. Sie hielten sich auf der anderen Seite der Berge oder im sechs Kilometer entfernten Vorgebirge. Reah beschirmte die Augen und machte direkt im Norden die Silhouetten von Türmen aus. In einer lebenden Stadt hatte sie nichts zu suchen.
    Als junges Mädchen war sie einmal in die Nähe einer Stadt gekommen, als sie mit ihren Eltern eine Reise unternommen hatte, um mit den Habiru Tauschgeschäfte abzuwickeln. Das war noch vor der Zeit gewesen, als die Handelsrestriktionen zwischen Christen, Juden und den paar Muslimgemeinden verschärft wurden. Die Stadt war prächtig gewesen, mit den Türmen, die in der Nacht glühten und summten wie ein magischer grüner, voller Insekten hängender Baum. Sie hatten im Schein zweier Vollmonde gerastet und sich ein als Picknick gestaltetes Abendessen mit den Familien der Geschäftspartner ihres Vaters geteilt. Eine der alten Frauen, die für drei Generationen als Geschichtenerzählerin fungierte, hatte ihnen zuerst von der Erschaffung der Monde berichtet, wie abgerichtete Vögel, so groß wie ganze Berge, Ladungen von Lehmziegeln in die Lüfte befördert hatten. Einer der jungen Männer, der seine männliche Autorität unter Beweis stellen wollte, hatte eine abweichende Version zum besten gegeben – daß die Monde nämlich von anderen Welten herbeigeschafft worden seien. Reah zog die erste Variante vor. Die Familien hatten den alten Geschichten von den lebenden Städten gelauscht, wie der geniale Robert Kahn sie gemäß der Spezifikationen der Letzten der Getreuen entworfen hatte… wie sie aus dem Samen von tausend modifizierten Spezies errichtet und konditioniert worden waren, Stahl und Stein und andere Werkstoffe zu integrieren, Geheimnisse, die jetzt verloren waren… und als die Nacht sich dem Ende zuneigte und die Feuer erloschen waren, lauschten sie mit feuchten Augen der Geschichte vom Exodus.
    Sie schlurfte unter der Sonne dahin und wälzte eine Menge zusammenhangloser Gedanken. Sie registrierte nicht die Truppe von Männern, die sie auf einer Flanke eskortierten, lachten und einander aufforderten, still zu sein.
    »Frau, woher kommst du?« fragte einer.
    Sie drehte sich um, schielte sie an und setzte dann ihren Marsch fort. Sie schlossen auf.
    »Sie kommt aus der Stadt«, sagte einer. »Durragon ist jetzt dort…«
    Sie verstellten ihr den Weg. Der größte von ihnen griff nach ihr und zog ihre Kapuze zurück. »Dürr, das alte Mädel, dürr überall. Kaum was anzufang’n mit das alte Mädel.«
    »Das ist e Frau«, erklärte ein anderer. Die älteren Männer zogen sich zurück und schüttelten den Kopf. Die jüngeren hingegen umringten sie mit betrübten Gesichtern. »Was hat se für graue Haut und Falten, das eklige Haar, und gar ke Brüste!«
    »Macht nichts. E Fuut hatse«, befand ein Jungspund.
    Sie warfen sie zu Boden, rissen ihr die Kleider vom Leib und bestiegen sie, einer nach dem anderen. Sie ignorierte sie, trotz der

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