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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Schmerzen, und träumte weiter von den lebenden Städten und ihren kühlen grünen Türmen, linderte ihren Durst mit den Erinnerungen.
    Als sie fertig waren, ließen sie sie im schwindenden Licht des Tages zurück und setzten ihren Streifzug nach Süden fort. Sie stand auf und suchte ihre Habseligkeiten zusammen, machte dann einen dürren Busch ausfindig und legte sich zum Schlafen unter ihn. Es wurde immer schwieriger, in der bleichen Morgendämmerung aufzustehen, immer schwieriger, in der zunehmenden Hitze zu marschieren. Sie rationierte das Wasser sorgfältig, brauchte die Nahrungsmittel aber schnell auf. Ihre Handlungen wurden von verschiedenen Herren diktiert. Ihr drahtiges, verfilztes Haar knisterte in der Hitze.
    Sie begegnete einer weiteren Abteilung Soldaten. Sie wirkte wie ein Gespenst, das in der schwachen Brise mit ausgestreckten Armen flimmerte. Irgendwo hinter ihr lagen der leere Wasserschlauch und die letzten Brotkrumen. Ihr aus Lehm gefertigtes Halsband lag unter dem Busch, unter dem sie übernachtet hatte. Die Soldaten musterten sie mit einer Mischung aus Angst und Ekel und zogen nach Süden weiter, um sich ihrer Armee anzuschließen. Die Echos von Gewehrschüssen rollten über die Flußebene.
    Bei Anbruch der Dunkelheit saß sie unter Baumwollstauden und trank aus einer kleinen Quelle. Sie war sich sicher, die erste Stufe des Paradieses betreten zu haben. Die Männer sagten indessen, daß im Paradies die Frauen Dienerinnen seien, und diese Vorstellung behagte ihr nicht. Ifrits waren keine Diener. Vielmehr waren sie so bösartig wie Skorpione, wenn man ihnen in die Quere kam.
    Am Morgen aß sie ein paar Grasrispen und Körnchen, die sie aus einer Samenkapsel gepuhlt hatte, und ihr wurde ein bißchen schlecht davon. Am Nachmittag stieß sie auf ihrer Wanderung auf einem überwucherten Trampelpfad auf ein Dorf der Habiru. Es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt und die steinernen Wände niedergerissen worden, wahrscheinlich von bösen Riesen. Das Dorf erhob sich über die Ebene, und von seinem Südrand aus hatte sie eine gute Sicht auf die zwei Flußbetten und Akkabar. Der schwache Geruch verwesenden Fleisches stieg ihr in die Nase, und sie blickte schielend zu ihrer Heimat zurück. Rauch stieg im Stadtzentrum auf. Eine Vielzahl grauer Flecken legte sich um die Lehm- und Steinmauern. Nach einer Stunde war die Rauchsäule schwarz und groß geworden. »Ich bin wirklich ein Ifrit«, murmelte sie. »Soldaten reiben an der Mauer, und ich entfleuche in einer Wolke aus Ruß und sitze lachend in den Hügeln.«
    Sie verließ das tote Habiru-Dorf und folgte der Straße zu einem hochgelegenen Grasland, wobei sie die Insekten totschlug, die sich auf der sich abschälenden Haut ihrer nackten Arme niederließen. Ihre Kräfte ließen rapide nach. Sie konnte sich noch auf den Beinen halten, bis sie einen klaren, glasierten Belag unter den Füßen spürte. Sie schlegelte noch mit den Beinen, als sie bereits gefallen war.
    Eine Stunde verging, und sie lag noch immer reglos unter den Sternen, mit geschlossenen Augen und von einem angenehmen Summen eingelullt. Etwas Schönes stand ihr bevor. Sie öffnete die Augen und brachte mit letzter Kraft einen klaren Gedanken zustande. Sie lag halbtot auf dem Rücken. Vor ihren Füßen befand sich ein großer und geheimnisvoller, polierter grüner Bogen, der von innen heraus glühte und einen warmen Luftzug verströmte.
    Vielleicht war sie auch schon tot. Sie lag an der Peripherie einer lebenden Stadt. Der sie umgebende Bodenbelag hätte sich eigentlich zu einer undurchdringlichen Barriere aufrichten müssen, der alle Menschen abwies. Dann verlor sie den Verstand und trällerte leise vor sich hin, bis sich kräftige Mandibeln um ihre Beine und Schultern schlossen und sie unter dem Bogen hindurchtransportierten, in das Unterwasser-Zwielicht hinein.
     
    Durragon der Apostat, Kommandeur von dreitausend Jägern und einer Handvoll abtrünniger Expoliten, überkam ein vages Bedauern angesichts der rauchenden Moslem-Stadt. Er trat einen mit blutigem Fleisch gefüllten Stapel Lumpen zur Seite, postierte sich mit halb geschlossenen Augen inmitten der Trümmer und versuchte nachzudenken. Der Gestank von Blut und aufgeschlitzten Eingeweiden war scheußlich. Die Jäger waren zwar grandiose Kämpfer, aber auch ziemlich unbeherrscht. Sie waren indessen das einzige, was zwischen ihm und der Anonymität stand. Sie befolgten seine Befehle auf geradezu andächtige Art, und wenn es nur aus dem

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