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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Grund war, weil er im Kampf mehr wert war als zwei von ihnen und das auch schon unter Beweis gestellt hatte. Aber es hatte nicht viel Sinn, in ökonomischer Hinsicht, sie weiter wüten zu lassen. Er mußte jetzt das Risiko eingehen, sich ihre Verachtung zuzuziehen, indem er ihnen bei der Plünderung Zurückhaltung auferlegte.
    Er legte die Hand auf die bloße, verschorfte Schulter seines linken Flankenläufers, Breetod, und sprach ihm ins Ohr: »Bring die drei Brandstifter auf den Marktplatz. Ich bin nicht glücklich damit, überhaupt nicht. Wir hätten hier eine Weile leben können. Jetzt sind aber sogar die Kornspeicher abgebrannt.«
    Breetods Gesicht legte sich in betrübte Falten, aber er lief los, um den Auftrag auszuführen. Durragon zog seine Pistole aus dem Holster und lud sie nachdenklich. Er marschierte durch die Trümmer zu der Stelle, wo sich ehedem der Markt befunden hatte, und wich dabei den verkohlten Leichen aus.
    Die drei Feuerteufel standen mit gefalteten Händen bei den gezackten schwarzen Haufen der Marktstände und grinsten nervös. Einer von ihnen trat einen Schritt vor, wurde aber von Breetod zurückgehalten.
    »Dat wir, nit versucht zu…«
    »Ruhe«, befahl Durragon leise. Ihm drehte sich der Magen um. Ihm gefiel das alles nicht, aber es war notwendig. Ohne ihn wären sie noch immer unorganisierte Wilde. Sie waren wie Kinder. Manchmal mußten sie streng diszipliniert werden. Er zog die Pistole. Den Mordbrennern verging das Grinsen.
    Andere Jäger standen herum, mit düsteren Blicken und schweigend. Er bedeutete ihnen, aus der Schußlinie zu verschwinden.
    »Day-o«, stöhnte der jüngste Feuerteufel.
    Mit knirschenden Zähnen betätigte Durragon den Abzug, dreimal, schoß jedem ins Gesicht. Sie stürzten hin. Die Jäger setzten sich in Bewegung und gingen zur Grenze der zerstörten Stadt, wo ihre Spießgesellen warteten. Der Rest der Marodeure hielt sich auf der entgegengesetzten Seite der Stadt auf und durchwühlte den Schutt nach geschmolzenen Gold- und Silbernuggets. Akkabar war eine arme Stadt gewesen. Sie würden nicht viel finden.
     
    Zum erstenmal seit zehn Jahren faßte Reah wieder einen klaren Gedanken. Sie stand in der Mitte eines sauberen weißen Raums mit einer Pritsche in einer Ecke, einem sich an einer Wand entlangziehenden grün getönten Fenster und einem höchst merkwürdigen Tisch, der sie an ein Waschbecken erinnerte. Eine Art Musik drang aus der Decke, die den Eindruck vermittelte, mit fließender, goldener Ölfarbe gestrichen worden zu sein. Sie wandte sich langsam um und sah den offenen Korridor und die sich daran anschließende Halle. Ihr Haar war sauber und frisiert, sogar mit einem dezenten Duft versehen. Sie trug ein weißes Gewand, das ihr indessen nicht schmeichelte – sie hatte sich zu lange vernachlässigt, als daß ihr noch irgendwelche Kleidung zu Gesicht gestanden hätte – und ein Paar Sandalen, die aus einer weichen Faser gefertigt waren. Es war sehr angenehm. Einen Moment lang erwartete sie, daß die Unsicherheit und die Insektenschwärme wieder in ihrem Kopf auftauchen würden, aber nichts dergleichen geschah. Sie spürte leichte Kopfschmerzen und Hunger, ein Ifrit war sie indes nicht mehr.
    Sie ging durch die Tür und wanderte durch die saubere weiße Halle, bis sie einen Balkon erreichte, der sich zwei Etagen über einem Hof befand. Sie spähte über das Geländer. Der Boden des unter ihr liegenden kreisförmigen Platzes wies eine undefinierbare graugrüne Tönung auf. Bei näherer Betrachtung erkannte sie jedoch, daß es überhaupt kein fester Boden war – vielmehr handelte es sich um ein Mosaik aus winzigen beweglichen Mustern, die sich mit der Langsamkeit einer abbrennenden Kerze zu Fraktalen konfigurierten. Hundert Meter entfernt flanierten vier in weiße und orangefarbene Gewänder gehüllte Leute an der Peripherie der Passage. Vögel flogen über sie hinweg und durch ein breites Tor, das von grünen Bögen flankiert war. Sie spürte einen Kloß im Hals und hatte das Gefühl, weinen zu müssen.
    »Hallo«, sagte eine männliche Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um, wobei ihre Unterlippe zitterte. Er war etwa dreißig Jahre alt, ein paar Zentimeter größer als Reah, aber nicht viel kräftiger, hatte schwarzes Haar und einen dunklen Teint, eine zierliche Nase mit kleinen Nasenlöchern, und die Augen waren so grau wie Lehmstaub. Er wirkte wohlgenährt und gesund.
    »Ich bin in einer Stadt, nicht wahr?« sagte sie. »Aber sie sollte doch

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