Die Macht der Steine
sie errichtet. Eines davon – eine Trommel, die von einem Transporter befördert worden war, bis dieser verbrannte – diente keinem erkennbaren Zweck, und Ezeki Iben Tav untersuchte es gründlich. »Das könnte ein Steuergerät sein«, meinte er dann.
Am nächsten Morgen war die Ebene weitflächig verkohlt. Das Feuer hatte sich in östlicher und westlicher Richtung ausgebreitet und war vom Staub des Flußbettes und den Felsen der höheren Hügel aufgehalten worden. Nach einigen Stunden eines unruhigen und von Hustenanfällen unterbrochenen Schlafes begab sich Durragon auf seinem Reittier auf einen Inspektionsritt durch die Ruinen der Stadt.
»So vergeht die Stadt Tomoye«, sprach der alte Habiru und bückte sich, um einen kleinen Brausekopf aufzuheben, an dem der Schlauch fehlte. Er wand sich in seinem Arm und versprühte trockene Luft.
Der Pfad des Geistes war alt; er ging durch Häuser und Wände und marschierte über obere Ebenen, die schon lange eingestürzt waren. Sie folgte ihm nach besten Kräften, wobei ihr die Haare zu Berge standen und sie unwillkürlich Gebete murmelte. Die Gestalt war nicht übernatürlich – es gehörte zu den normalen Funktionen der Stadt, Führer und Lehrer zu projizieren –, aber dennoch konnte sie sich einer gewissen Ehrfurcht nicht erwehren.
Die Gestalt verhielt an einem Turm, der sich an der Außengalerie fünfunddreißig Meter über den Scheitelpunkt der Stadt erhob. Die Figur deutete auf ein verwittertes Paneel, und Reah berührte es. Die Gestalt verschwand.
Eine Tür glitt zur Seite, und Reah trat in einen hell erleuchteten Raum. Die Wände waren mit glühenden Grafiken und Diagrammen bedeckt. Im Mittelpunkt, auf einem Podest, befanden sich ein Stuhl und eine Konsole, die größer war als alle, die sie bisher gesehen hatte. Sie betrat das Podest, stellte sich hinter den Stuhl und betrachtete den in sanftem Grün glühenden Computer. Sie erkannte die drei von Lamellen verdeckten Monitore und eine Anordnung von Linsen, bei denen es sich um Netzhaut-Projektoren handelte. Reah fehlte zwar der vollständige Überblick über die Technologie der Vergangenheit, aber es war unschwer zu ermitteln, daß jeder, der auf diesem Stuhl saß, über einen großen Fundus an Informationen verfügte.
Sie nahm Platz. Das Kissen zerbröselte wie Gebäck unter ihrem Gewicht, aber der solide Korpus des Stuhles paßte sich ihr an.
»Was können wir für dich tun?« fragte eine aus der Decke dringende Stimme.
»Wo befinde ich mich hier?«
»Dies ist eines von fünf städtischen Nachrichtenzentren.«
Reah nickte abwesend und betrachtete die Grafiken genauer. Die Stadt war groß. Sie hatte bisher kaum Zeit gehabt, sich mit ihr vertraut zu machen, aber sie identifizierte viele der markanteren Merkmale. »Wißt ihr…« Sie zögerte, denn sie war noch immer nicht gewohnt, zu körperlosen Stimmen zu sprechen. »Wißt ihr, daß die Stadt stirbt?«
»Das wissen wir. Unsere Regenerationsanlagen sind erschöpft, und außerdem ist der Reproduktionsspeicher defekt.«
»Ihr habt meine Frage mehr als beantwortet. Seid ihr eine einfache Maschine?«
»Wir sind der Architekt. Wir koordinieren die Stadt.«
»Ich meine – glaubt ihr, daß ihr lebendig seid?«
»Ja. Aber wir verfügen nicht über ein Bewußtsein wie du.«
Reah berührte die Lamellen vor einem Bildschirm. »Aber ihr wollt doch am Leben bleiben, nicht wahr?«
»Früher hatte die Stadt einen Auftrag, und das machte das Leben lebenswert. Heute hat sie keinen Auftrag mehr.«
»Warum?«
»Eine Stadt ist nichts ohne ihre Einwohner.«
»Aber ihr habt sie doch verjagt.«
»Sie waren unwürdig.«
Sie fühlte sich nicht motiviert, näher auf diesen Punkt einzugehen. »Dennoch gewährt ihr Menschen jetzt Zutritt – kranken Menschen.«
»Wenn wir alles unter Kontrolle hätten, würden wir das nicht gestatten. Die Stadtverteidigung ist geschwächt, und viele Funktionen sind auf Medoeinheiten übertragen worden.«
»Dann habt ihr nicht alles unter Kontrolle«, folgerte Reah.
»Nein. Unsere Autorität zerfällt seit einem Jahrhundert.«
»Besteht die Möglichkeit, sie wiederzuerlangen?«
»Der Architekt ist jetzt eine unvollständige Einheit und kann nicht alle Funktionen der Stadt kontrollieren. Die Autorität ist so delegiert worden, daß die Stadt am meisten davon profitiert.«
»Könnt ihr auch… Autorität an mich delegieren?«
»Nein«, meinte der Architekt, »aber es gibt eine Einheit, die das kann.«
»Würdet ihr mich mit
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