Die Macht der Steine
wirklich hineintransportiert?« fragte Durragon.
Belshezar nickte. »Sie ist verwirrt und kann nicht mehr…« Er vollführte mit dem Finger eine kreisende Bewegung um sein Ohr.
»Sie ist verrückt«, interpretierte Ezeki.
»Kannst du eine Karte von ihrem Inneren zeichnen?« fragte Durragon.
»Vielleicht, wenn wir alle zusammenarbeiten.« Belshezar schaute trotzig auf. »Falls wir gut behandelt werden.«
Ezeki ließ ihnen einen Tisch und Papier bringen. »Ich bin sicher, daß unser General euch anständig behandeln wird.« Er schickte die Frauen weg und ließ die Männer im Zelt Platz nehmen. Die Frauen wurden in ein anderes Zelt gebracht, und Breetod postierte eine Wache davor, denn der Gesichtsausdruck der Jäger hatte ihm überhaupt nicht gefallen.
Gegen Abend präsentierte der heftig schwitzende Belshezar Durragon und dem Habiru den Stadtplan, wobei er von seinen Kameraden zögernd unterstützt wurde.
Vom Rand einer auf halber Höhe der Stadt befindlichen Promenade beobachtete Reah die Zelte und Lagerfeuer der unten massierten Armee. Die Gesellschaft des Kleiderständers, des Kastens und des Insekts ging ihr allmählich auf die Nerven, aber sie konnte sie nicht loswerden. Außerdem beantworteten sie die meisten ihrer Fragen. Sie ermüdete jedoch schnell, und in ihrem Kopf jagten sich endlose Konzepte, die auf der Basis der bereitgestellten Informationen entwickelt wurden.
Plötzlich dämmerte es ihr, daß die Armee dort unten nicht nur aus schlichten Jägern bestand. Ihre trüben Erinnerungen an den Überfall auf Akkabar und die Ruinen der Habiru kehrten zurück, und sie rieb sich heftig die Augen, als ob sie auf diese Weise die neuen Sorgen vertreiben wollte.
»Was tun sie dort unten?« fragte sie.
»Wir wissen es nicht«, sagte der Kleiderständer.
»Können sie in die Stadt gelangen?«
Das Gerät schwieg für eine ungewöhnlich lange Zeitspanne. »Wir halten es für möglich, daß sie hereinkommen können.«
»Wie?«
»Wenn irgend jemand von ihnen verwundet werden sollte, werden sie von einigen Abschnitten der Stadt zur Behandlung hereingelassen.«
Sie wandte sich von der Brüstung ab und betrachtete die in weichem Licht glühenden Gärten jenseits der Galerien. Der Geruch von Gras und Kirschblüten verquickte sich mit dem feuchten Fallwind von den höheren Ebenen. »Wenn sie die Stadt angreifen, wird sie sie abwehren können?«
»Ja. Wenn sie angreifen, wird niemand von ihnen hereinkommen.«
»Wird sie sie töten?«
»Nein, nicht direkt.«
»Was heißt das?«
»Durch die Verstärkung ihrer äußeren Barrieren werden wahrscheinlich viele sterben, bevor sie weit kommen. Das ist schon einmal geschehen.«
Sie schloß die Augen und genoß die Dunkelheit. »Kannst du mir ein Zimmer in der Nähe beschaffen?«
»Sicherlich«, meinte der Kleiderständer. »Bitte folgen.«
Wiederauferstehung hatte einst sechshunderttausend Menschen beherbergt. Die Mannigfaltigkeit der Unterkünfte kam Reah schier endlos vor. Ihre Führer geleiteten sie durch Versammlungshallen, deren Einrichtung aus nun verrottenden Tischen und Stühlen bestand. Obwohl es in Akkabar keine Schulen im eigentlichen Sinne gegeben hatte, hatte sie in einer der Habiru-Städte doch Klassenzimmer gesehen. Die Räume um die zentralen Versammlungshallen waren anscheinend Unterkünfte für Kinder – sie waren kleiner, und auch die Möbel, respektive das, was von ihnen noch übrig war. Das Dekor war farbenfroh und schlicht. Einige Räume befanden sich noch in einem guten Zustand, und in einen solchen wurde sie geführt. Das Bett war klein, aber es reichte für sie aus. Sie legte sich hin und rollte sich wie ein Embryo zusammen.
Die drei Maschinen postierten sich vor der Tür und bereiteten sich auf die Nachtwache vor. Überall, wie die reduzierte Herzfrequenz eines Schläfers, verklangen die Geräusche der Stadt.
Sie erwachte vor der Morgendämmerung und nahm an einem kleinen Metalltisch ein schnelles Frühstück ein. Die Kücheneinheiten kamen aus ihren Wandnischen hervor und servierten ihr das Essen – Obst und eine Schale mit einem heißen Getreideerzeugnis, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem in Akkabar üblichen Weizenschleim aufwies. Als sie aufgegessen hatte, schaute sie auf die große Tür, die sich seit ihrer Ankunft noch nicht geöffnet hatte. Sie fragte den Kleiderständer, was sich hinter der Tür verbarg.
»Lehrmittel, glaube ich«, antwortete er. »Möchtest du sie sehen?«
»Zeig sie mir«, verlangte sie.
Der
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