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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Es gab nun keinen Zentralturm mehr, sondern einen Kreis aus kleineren Türmen, wobei an der Nordseite ein größeres Exemplar den Rest überragte. Die Stadt wirkte wie ein überdimensionales Sportstadion.
    Die geteerte Straße zog sich in einer Entfernung von zirka dreißig Metern um die Stadtmauer. Die glatten, silbergrünen Wände erhoben sich mindestens hundert Meter über die Ebene und wurden von transparenten Stacheln wie jenen um Bruderschaft gekrönt, nur daß diese frisch und abschreckend wirkten. Von der offensichtlichen Verkleinerung und Umstrukturierung abgesehen, machte die Stadt einen gesunden Eindruck.
    »Dort ist das Tor«, rief Ascoria nach hinten. Er änderte den Kurs des Lkw und hielt auf eine glattwandige Tunnelmündung zu. Ein von Menschenhand errichteter Zaun berührte die Außenmauer, war aber nicht an ihr befestigt. Zwei Wachen saßen unter einem Holzdach und vergingen fast in der Hitze. Lod suchte im Handschuhfach nach den Ausweisen.
    Kahn hörte aufmerksam zu.
    »Ich habe Pilger und ein Stadt-Teil an Bord – einen Cyborg«, sagte Ascoria. »Wir haben sie aus Ibreem mitgebracht.«
    »Flüchtlinge?«
    »Nur der Cyborg.«
    Die Wachen gingen zum Heck des Lkw und inspizierten die Mitfahrer. Einer der Posten fragte, ob sie sich irgendwie ausweisen konnten. Arthur brachte ein Lederetui mit einer abgeschliffenen Metallkarte zum Vorschein.
    »Und du?« fragte die Wache Kahn.
    »Ich bin ein Pilger. Ich habe meinen Ausweis verloren.«
    »Dann können wir dir nur ein Zwei-Tage-Visum ausstellen.« Der Posten ging wieder zum Fahrerhaus. »Uns liegt keine Fahndungsmeldung der Gründer für entflohene Sträflinge, Stadt-Teile oder sonstige vor, aber solche Fälle würden sie uns auch nicht melden, stimmt’s? Wenn du für sie bürgst, behalte sie bei dir, bis dein Besuch beendet ist. Liefere das Stadt-Teil ab, wir lassen dich durch. Du kennst das Prozedere?«
    Ascoria nickte energisch. Die Wache winkte ihn durch, und der Lkw fuhr in den glattwandigen Tunnel ein.
    Die Enklave war eine Stadt innerhalb von Wiederauferstehung. Sie bestand aus Lehmziegeln, Holz, Pflastersteinen und Beton. Ascoria fuhr vorsichtig durch saubere, enge Straßen, die von Baikonen überwölbt wurden, welche aus dem zweiten Geschoß der Gebäude vorsprangen.
    Kahn fielen die kunstvollen Holzkonstruktionen auf. Regenrinnen zogen sich um die Gebäude, übersprangen manchmal die Lücken zwischen den Häusern und fügten sich auf diese Weise organisch in das Ambiente der Siedlung ein. Das Straßenpflaster war raffiniert strukturiert und mit Flußkieseln und Glasstücken durchsetzt.
    Wie Ascoria erläuterte, befand sich Wiederauferstehung nun schon seit hundert Jahren in der Flußebene. Die Stadt hatte ihren ursprünglichen Standort im Hochland verlassen, Marodeuren getrotzt und sich dort wieder rekonfiguriert, wo reichlich Grundwasser vorhanden war. »Sie hat kranke Kinder aufgenommen, und eine Zeitlang hat sie sogar kranke Erwachsene behandelt. Das war, bevor sie abgewandert ist. Eine Frau namens Reah hat im Hochland die Stadt betreten und sie hierher geleitet. Sie war eine Muslimin oder stammte zumindest aus einer moslemischen Stadt. Dort werden wir das Stadt-Teil auch deponieren – bei Reahs Tempel, an der Westseite. Sie starb, nachdem die Stadt sich hier niedergelassen hatte, aber zuvor hatte sie bereits die städtischen Transporteinheiten ausgeschickt und alle kranken und behinderten Kinder aufsammeln lassen. Die Stadt hat ihnen noch lange nach Reahs Tod, ungefähr fünfundsiebzig Jahre, Zugang gewährt und sie nach ihrer Heilung in die Enklave entlassen. Dann, vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren, ließ die Stadt überhaupt niemanden mehr hinein. Das ereignete sich zu dem Zeitpunkt, als eine Stadt namens Throne in die Flußebene herabstieg, ungefähr zehn Kilometer von hier entfernt.«
    »Throne ist über Nacht verschwunden«, erläuterte Lod. »Manche sagen, sie sei abgewandert, andere glauben, sie sei vom Erdboden verschluckt worden.«
    »Zu jener Zeit hatten sich alle Kinder, die in die Enklave gekommen waren, schön eingerichtet. Viele blieben, wuchsen hier auf und errichteten Krankenhäuser. Heute kommen Pilger von überallher, vor allem um Reahs Tempel zu besichtigen und um Heilung nachzusuchen. Wir haben die besten Ärzte auf Gott-der- Schlachtenlenker.«
    »Nie davon gehört in Neu-Kanaan«, sagte Arthur.
    »Die Gründer halten uns für Narren«, beklagte Lod sich.
    Kahn hörte schweigend zu und betrachtete die braunen und

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