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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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du später nachkommen?« fragte er Kahn.
    Kahn nickte und warf dann einen Blick auf Ascoria. Das Lächeln des Lehrers war gefroren. Jeshua ging auf das kleine Gebäude zu und wartete auf das Erscheinen der Wache. Der Posten musterte ihn nervös und ließ ihn dann durch.
    Als Jeshua zur Mauer aufstieg, verfärbte sich ein kreisrunder Ausschnitt milchigweiß und öffnete sich. Er trat ein. Die Lücke schloß sich hinter ihm. Ascoria und der Posten sahen gespannt und mit leicht geöffnetem Mund zu. Dann war es vorbei.
    »Wir haben der Stadt gegeben, was der Stadt ist«, stellte Ascoria fest, wobei er vor Ehrfurcht zitterte. »Nun ist es vollbracht. Komm, wir gehen zum Haus.«
    Das Haus war eine Art weiterführende Schule und befand sich an der Peripherie der Enklave. Kahns Einschätzung zufolge umfaßte die Enklave eine Fläche von etwa einem halben Hektar mit einer Bevölkerung von etwa hunderttausend Menschen und noch einmal einem Drittel soviel Pilgern. Wohnraum war knapp, und Ascorias Haus war drei Stockwerke hoch, die allesamt mit Menschen überfüllt waren – Pilger, Schüler, weitere Familienangehörige.
    »Bleiben wir im Erdgeschoß«, schlug Kahn Arthur vor.
    Sie aßen zu Mittag und machten dann ein Nickerchen in der Nachmittagshitze oder erweckten zumindest diesen Eindruck. Als die Dämmerung einsetzte, verfärbte sich der Himmel über der Enklave dunkelblau und graugrün, und die Straßenbeleuchtung wurde eingeschaltet. Arthur und Kahn beteiligten sich an der Ausgabe des Abendessens und nahmen dann selbst ihre Mahlzeiten ein, wobei Kahn deutlichen Appetit und Arthur schieren Heißhunger an den Tag legten. Die Gäste im Erdgeschoß musterten Kahns merkwürdige Kleidung, aber die Menge war so bunt durcheinandergewürfelt, daß er kein übermäßiges Aufsehen erregte. Die Nacht war heiß und still. Während sie aßen, dirigierten Lod und Sanisha eine Gruppe männlicher Schüler beim Singen von Gebeten, und eine von Ascoria geleitete Gruppe weiblicher Schüler griff den Text kanonartig auf. Arthur verspürte den Wunsch, mitzusingen, aber die Worte waren ihm fremd. Kahn schaute mit seinem üblichen undurchdringlichen Gesichtsausdruck zu, wobei seine dunklen Augen mit dem trüben elektrischen Licht kontrastierten.
    Draußen zogen Wolken an den Sternen vorbei. Kahn und Arthur fanden Decken und Matratzen in einer Ecke des Erdgeschosses und begaben sich mit zwanzig oder fünfundzwanzig anderen zur Ruhe. Während das Abendgebet gesprochen wurde, setzte Regen ein. Lod stellte einen Trichter und eine große Glaskaraffe unter die Regenrinne vor der Haustür.
    Ascoria kniete sich neben Arthur und Kahn hin. »Wißt ihr, ich hätte noch viele Fragen an euch«, sagte er zu Kahn. Lod löschte die Lampen. Die Luftfeuchtigkeit war hoch, und dicke Tropfen platschten auf die Straße vor dem Haus, unüberhörbar durch die Holztür und die Fensterläden. »Ich bin Lehrer und stelle gern Fragen. Aber ich glaube, daß ihr keine Fragen beantworten wollt – noch nicht.«
    Kahn schaute verlegen zu Boden. Diese Gefühlsregung überkam ihn selten, aber er wußte nicht, was er dem Mann antworten sollte.
    »Das Stadt-Teil hat dich anscheinend gekannt«, fuhr Ascoria fort. »Ich sehe dich an, und mir schaudert. Niemand sonst reagiert auf diese Weise.« Er wies mit dem Kopf auf die im Raum herumliegenden Leute, die auf den Schlaf warteten. »Ich weiß nicht warum, aber du bist anders. Kein Pilger.«
    »Laß uns schlafen«, meinte Arthur, wobei er die beiden aus dem Augenwinkel musterte. »Wir sind nur einfache Pilger.«
    Ascoria stand auf. »Was der Cyborg gesagt hat… ich habe dieses Gefühl…« Er verstummte. »Aber ich will meine Gäste nicht belästigen.«
    »Eine wundervolle Gemeinschaft hast du hier versammelt«, schwärmte Arthur. »In der Tat«, bekräftigte Kahn und schluckte.
    »Wir wollten, es würde so bleiben, aber es wird zu heiß, befürchte ich. Die Schwachen wollen gehen. Sie sagen, daß wir erneut verflucht seien und nie Frieden auf Gott-der- Schlachtenlenker herrschen würde. Stimmt das?« Er schaute Kahn direkt und intensiv an.
    »Ich weiß nicht«, entgegnete Kahn und sagte damit nicht einmal die Unwahrheit.
    »Selbstverständlich nicht«, meinte Ascoria. »Es ist dem Menschen nicht gegeben, die Zukunft zu kennen… sein Schicksal. Gute Nacht.«
    Arthur nickte und drehte sich um.
    Als die Belegschaft im Erdgeschoß schlief, ging Kahn zu Arthur und rüttelte ihn sachte. »Wir müssen jetzt gehen«, sagte er und legte

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