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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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hinwirft? Im letzten Sommer hätte er mir helfen können! Nein, Paul, Vater war auf meine Liebe zu Pierre eifersüchtig und wollte sie zerstören. Er hat alles so eingefädelt, dass ich Pierre hätte entführen können, aber das hätte bedeutet, ihn von seinen Schwestern und Charmaine zu trennen, und hätte mir auf lange Sicht seinen Hass eingetragen. Wenn ich ebenso grausam gehandelt hätte wie er, hätte ihn das entlastet. Das allein war seine Absicht gewesen und sonst nichts.«
    »Du irrst dich, John. Es gibt sicher vieles, was Vater nicht mehr ändern kann, aber auf keinen Fall will er dich weiter verletzen. Am Morgen vor deiner Abreise hat er dir das Sorgerecht für Pierre und die Zwillinge übertragen. Ich habe die unterschriebenen Papiere selbst gesehen … und zwar lange bevor Blackford sich an Pierre vergriffen hat.«
    John war sichtlich überrascht, doch bevor er reagieren konnte, sprach Paul bereits weiter. »Während der qualvollen Tage vor Pierres Tod hat Vater sich zurückgezogen, und zwar aus Respekt vor dir und deinem großen Kummer und nicht aus Gleichgültigkeit! Ich bin von Pierres Bett weg oft zu ihm gegangen. Er hat damals weder gegessen noch geschlafen und genauso viel gelitten wie du … und sich mit Schuldgefühlen gequält. Er hat den Jungen geliebt und macht sich auch heute noch große Vorwürfe.« Er wandte sich ab, weil er seinen Schmerz kaum verbergen konnte.
    Die Minuten dehnten sich. Außer dem Hufschlag war nichts zu hören. Paul hing seinen Gedanken nach. Ob er sie am besten einfach aussprach? »Vater hat Colette auch geliebt, John. Das glaubst du vielleicht nicht, aber so war es. Vielleicht willst du auch nicht hören, dass Colette ihn ebenso geliebt hat. Ich habe es von ihr selbst gehört. Sie leiden zu sehen, das war für Vater das Schlimmste, und als sie starb, war er am Boden zerstört.«
    In einem Anfall von Wut biss John die Zähne zusammen. Geht er mit allen so um, die er liebt? Doch sein Zorn schwand, als er die Verzweiflung in den Augen seines Bruders sah, und er begriff, dass Paul ihm die Tatsachen so berichtete, wie er sie erlebt hatte.
    »Ich weiß nicht, was die beiden einander entfremdet hat, John. Aber heute weiß ich, dass meine Mutter sicher auch dabei ihre Hand im Spiel hatte.« Pauls eigene Bürde wog so schwer, dass er nichts weiter sagen konnte, und so schwiegen sie.
    »Das ist nicht dein Ernst!«, rief Charmaine. »Du kannst mich doch so kurz vor der Geburt nicht allein lassen!«
    Sie sah zu, wie John im Ankleidezimmer auf und ab lief und seine Sachen aus den Schränken nahm und in einem großen Koffer verstaute, der auf dem Boden lag. John sagte nichts und packte einfach nur weiter. Als seine Frau sein Schweigen nicht länger ertragen konnte, trat sie ihm in den Weg.
    »Das ist doch der pure Wahnsinn!«, protestierte sie. »Und außerdem viel zu gefährlich!«
    »Dieser Mann hat meinen Sohn ermordet, Charmaine!« John blieb stehen und sah ihr in die Augen. »Er kommt mir damit nicht davon!«
    »Du wirst ihn niemals finden. Er ist schon so lange fort!«
    »Ich werde ihn finden! Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich finde ihn.«
    »Aber es kann Jahre dauern, ihn aufzuspüren. Warum überlässt du das denn nicht der Polizei? Die ist doch dafür ausgerüstet!«
    »So, wie sie deinen Vater festgenommen haben?«, fragte er spöttisch. »Was würdest du denn tun, wenn du deinen Vater finden und zur Verantwortung ziehen könntest?«
    Die Frage ließ Charmaine für einen Moment verstummen. »Und was ist mit unserem Leben? Kannst du wirklich so einfach weggehen?«
    Er ließ die Schlösser zuschnappen. »Nichts zu tun, das ist kein Leben.«
    Sie wandte sich ab, weil ihr die Tränen in die Augen traten. »Ich werde sehr allein sein und ständig um deine Sicherheit bangen.«
    »Aber du bist nicht allein. Die Zwillinge sind bei dir, und George, Rose und Mercedes auch. Ich werde dir immer Nachricht schicken.« Er trat hinter sie und umfasste ihre Schultern, aber sie entzog sich ihm.
    »Du liebst sie mehr als mich«, brach es aus ihr heraus. »Immer noch liebst du sie mehr!«
    »Sag so etwas nicht, Charmaine …«
    »Wenn du mich mehr lieben würdest, würdest du nicht weggehen!«, schrie sie.
    »Das ist doch kein Wettbewerb zwischen dir und einer Toten.«
    »Dann bleib bei mir«, flüsterte sie.
    Er drehte Charmaine zu sich um, doch sie setzte eine abweisende Miene auf. John beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Dann trat er einen Schritt zurück und sah sie

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