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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Versprechen: Sie konnten Marie nicht schützen, aber dafür müssen Sie sich nie wieder um Charmaine sorgen.«
    »Und was ist mit Colette?«, fragte Michael. »Sie sagten einmal, dass Sie nie wieder jemanden so lieben könnten.«
    »Damals habe ich das auch geglaubt«, murmelte John. »Doch es ist anders gekommen.«
    »Genügt das womöglich, um Ihrem Vater und sich selbst zu verzeihen?«
    Johns Miene wurde abweisend. »Das weiß ich nicht.«
    »Ihr Vater hat Ihnen verziehen, nicht wahr?«
    Als John aufstand, wechselte Michael klugerweise das Thema. »Wann hat denn die Hochzeit stattgefunden?«
    »Unmittelbar nach Pauls Fest. Es war nur eine kleine Feier mit Father Benito …« John brach ab, und Michael wusste, was er dachte. Was, wenn dieser Priester überhaupt kein Priester war? »Sobald wir die Sache in New York erledigt haben, werden wir auf Charmantes eine große Hochzeit feiern. Und Sie werden uns trauen, nicht wahr, Michael?«
    »Das wäre mir eine große Ehre.«
    »Ich muss Ihnen übrigens noch etwas sagen: Sie werden Großvater.«
    Michael fragte sich, ob die Überraschungen jemals endeten. Aber das Thema kam ihm wie gerufen. »Ein Kindchen?«, sagte er versonnen. »Wann wird er oder sie denn erwartet?«
    »Um Weihnachten herum.«
    »Und Sie finden es richtig, ausgerechnet jetzt so lange von zu Hause fort zu sein?«
    John stand auf und ging unruhig auf und ab. »Sie klingen wie mein Vater.«
    »Wir sorgen uns eben um Sie … und um Ihren kleinen Sohn oder Ihre Tochter.«
    »Das glaube ich gern.« Unvermittelt blieb er stehen. »Kommt die Predigt jetzt doch noch?«
    »John …«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, Michael.«
    »Sie sind einer der ehrenwertesten Menschen, die ich kenne, John. Schon deshalb ist meine Zeit nicht vergeudet. Und da Sie obendrein mit meiner Tochter verheiratet sind, kann ich nicht einfach schweigen. Wir alle haben unsere Mission auf dieser Erde.«
    Johns Blick strafte sein spöttisches Grinsen Lügen, aber er sparte sich jegliche Widerworte.
    Freitag, 31. August 1838
    Da Agatha Blackford Ward Duvoisin unmöglich neben Frederics früheren Frauen beigesetzt werden konnte, hatte Paul ihr ein Grab am anderen Ende des Friedhofs ausheben lassen. Charmaine, Mercedes und George waren die einzigen Trauergäste. Jeannette und Yvette hatten sich geweigert und wollten nicht einmal Paul zu Gefallen mitkommen. Und Charmaine mochte die Mädchen nicht zwingen, für eine Frau zu beten, die ihre Mutter und ihren Bruder ermordet hatte.
    Da die Beisetzung ohne priesterlichen Segen stattfand, war es an Paul, die Abschiedsworte zu formulieren. Er beschränkte sich auf einen einzigen Satz: »Möge Gott Ihnen verzeihen und Ihnen den Frieden schenken, den Sie in diesem Leben nicht gefunden haben.« Charmaine senkte den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf. Aber sie weinte nicht um Agatha, sondern allein um deren Sohn.
    Als Charmaine spät am Abend die Bibliothek betrat, fiel ein schmaler Lichtstreifen aus dem Korridor bis zu dem Sessel, in dem Paul saß. Er war eingeschlafen, und die Lampe war heruntergebrannt. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. Ihn zu lieben wäre sehr viel leichter gewesen, dachte sie. Heute hätte er jemanden gebraucht, der ihn liebte. Sie dachte an die unschuldigen Zeiten zurück, als seine entblößte Brust und sein Lächeln ihre Knie zittern ließen. Diese zarten Gefühle einer aufkeimenden Liebe würde sie für immer in ihrem Gedächtnis bewahren.
    »Paul?«, flüsterte sie. »Paul?«
    Seine Lider zitterten, und wie in Trance begriff er, wo er sich befand. Er rieb sich die Augen. »Ich muss eingeschlafen sein.«
    »Warum gehen Sie nicht zu Bett? Es war doch ein sehr anstrengender Tag.«
    »Nein, nein. Ich könnte ohnehin nicht schlafen.«
    Er stand auf und reckte sich. Dann ging er zum Seitentisch und goss sich einen Drink ein. »Möchten Sie auch einen?« Aber sie schüttelte den Kopf.
    »Das Baby hat sich heute zum ersten Mal bewegt«, sagte sie in der Hoffnung, seine Melancholie zu vertreiben.
    Das schiefe Lächeln zeigte, dass ihre Bemühungen nicht viel Erfolg hatten. »Und wie geht es Ihnen ?«
    »Schon sehr viel besser. Vielen Dank. Rose hatte recht. Die ersten Monate sind tatsächlich die schlimmsten.«
    »Sie werden von Tag zu Tag hübscher, Charmaine.« Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, lächelten plötzlich auch seine Augen.
    Welch albernes Herumgerede , dachte sie … und wandte sich mutig einem Thema zu, das ihr auf der Seele brannte. »Wir haben bisher

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