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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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enttäuscht. »Hat er Blackford inzwischen getötet?«
    »Aber nein, Yvette …« Paul schmunzelte. »Er schreibt nur, dass er immer noch nach ihm sucht.«
    »Das dauert aber ganz schön lange, findest du nicht?«
    »Wie geht es Papa?«, fragte Jeannette. »Geht es ihm gut?«
    Paul runzelte die Stirn. »Davon schreibt er gar nichts, aber ich bin sicher, dass es den beiden gut geht.«
    »Hoffentlich müssen sie nicht kämpfen«, bemerkte Yvette. »Dann dauert es nur noch länger.«
    Angesichts von so viel Weisheit schüttelte Paul den Kopf. »Das wollen wir hoffen, Yvette.«
    Von Anfang an hätte Charmaine am liebsten über jedes Wort gejubelt. Von Meine liebste Charmaine bis hin zu dem Schluss: Sage unserem hübschen Kind, dass ich es genauso liebe wie seine schöne Mutter . Sie erfuhr, dass er zufällig Joshua Harrington in der Bank getroffen hatte und dass die Suche ihn und seinen Vater am nächsten Tag sogar bis nach New York führen würde. Dann folgten liebevolle Worte, die Charmaines Herz schmelzen ließen.
    … Ich entschuldige mich für die Art, wie ich mich von dir verabschiedet habe. Bitte, versteh mich, Charmaine. Ich will nur Gerechtigkeit. Ich könnte nie in dem Wissen leben, dass der Mörder meines Sohnes frei herumläuft und ich nichts unternommen habe. Natürlich tue ich das auch für Colette. Ich würde lügen, wenn ich das nicht vor mir selbst eingestehen würde. Aber ich tue es nicht aus Liebe zu ihr. Colette war eine wunderbare Person, die diesen frühen Tod nicht verdient hat. Doch selbst wenn sie noch am Leben wäre, hätte ich dich gewählt. Auf eine Frau wie dich habe ich nie zu hoffen gewagt. Übrigens habe ich heute etwas ganz Wunderbares erfahren … etwas, das mich inmitten dieses Elends lächeln ließ … und das mir gezeigt hat, wie viel du mir bedeutest, my charm, und wie sehr ich dich liebe. Heute Nacht ist es hier sehr einsam. Ich sehne mich danach, dich im Arm zu halten und dich zu lieben. Sei sicher, ich werde dich für die vielen Wochen entschädigen und alles Versäumte nachholen, wenn ich nur erst wieder zu Hause bin …
    Blind vor Tränen drückte Charmaine den Brief an ihre Lippen und verharrte einen Moment bewegungslos, als ob sie Johns Gegenwart in sich aufsaugen könne. Voll bittersüßem Glück schloss sie die Augen und atmete tief ein. Als sie sich wieder in der Gewalt hatte, öffnete sie die Augen und merkte, dass sie allein war.
    Später am Abend, als die Mädchen längst schliefen, verfasste sie ihren ersten Liebesbrief. Sie legte all ihre Gefühle hinein und schluchzte, als sie die letzten Worte schrieb. So wie John entschuldigte auch sie sich für alles, was sie ihm beim Abschied an den Kopf geworfen hatte, sagte ihm, wie sehr sie den Tag seiner Rückkehr herbeisehnte, und küsste den Umschlag zum Abschied. Paul versprach, den Brief mit dem ersten Schiff nach New York zu schicken. Seit George im Auftrag von Colette nach John gesucht hatte, war seine dortige Adresse kein Geheimnis mehr.
    Donnerstag, 13. September 1838
    Robert Blackford stand hinter einer Frau in mittlerem Alter, die mit dem Angestellten der Apotheke sprach. Er schmunzelte in sich hinein, als die Frau nach einem kleinen Fläschchen Arsen verlangte. Wen sie wohl vom Leben zum Tode befördern wollte? Vermutlich ihren Mann oder vielleicht einen Liebhaber? Der Angestellte holte einen Ordner und ließ sich den Empfang mit Unterschrift bestätigen. Dann zahlte die Frau, und der Mann übergab ihr das Gift.
    Wie einfach , dachte Robert. Wie überaus einfach . Wenn Colette auf dem Festland gelebt hätte, hätte Agatha seine Hilfe gar nicht benötigt. Aber der Laden auf Charmantes hatte kaum Chemikalien vorrätig. Um Arsen aus Europa zu besorgen, hatte Agatha auf ihn zurückgreifen müssen. Er hatte seiner Schwester ohne Zögern geholfen, nachdem sie Anfang April 1836 eine erste, beinahe tödliche Dosis über Colettes Essen gestreut hatte.
    Wenig später trat Robert in den abendlichen Sonnenschein hinaus und sog tief die kühle Herbstluft ein. Die Luft war angenehm und frisch … aber sauber war sie nicht, da zahllose Fabriken sie mit ihrem Rauch verschmutzten. Nun gut, man konnte nicht alles haben.
    Während er durch die belebten Straßen ging, wanderten seine Gedanken nach Charmantes zurück, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Agatha hatte gut für seine Zukunft gesorgt. Er erinnerte sich noch lebhaft an seine Freude, als sie für immer nach Charmantes gekommen war. Damals hatte er noch an

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