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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Brust. »Ich habe es aus verlässlicher Quelle: Sie sollen Ihre Frau ermordet haben.«
    Das Thema behagte John Ryan sichtlich nicht, also gab er sich streitlustig. »Ich habe sie nur ab und zu einmal geschlagen, aber das hatte sie verdient.«
    »Sie hatte das verdient?«, wiederholte Paul ungläubig.
    »Sie hat ständig nur genörgelt und musste zurechtgewiesen werden. Nichts anderes habe ich getan … ich habe sie zurechtgewiesen.«
    Pauls Hand schoss nach vorn, packte den Mann am Kragen und stieß ihn zurück. Donnernd krachte er zu Boden, seine Arme und Beine ausgestreckt. »Warum tun Sie das?«, fragte Ryan nach einer Weile. »Warum haben Sie mich hergebracht?«
    »Damit Sie für Ihre Verbrechen bezahlen.«
    Ruckartig sprang John Ryan auf die Füße, aber Paul war schneller. Er packte den Unterarm und drehte ihn dem Mann auf den Rücken. Ryan jaulte vor Schmerz, als Paul den Arm nach oben schob und den Mann dann die Treppe hinunterführte. Der Wächter schloss auf, und Paul stieß Ryan so heftig durch die Tür, dass er stolperte und gleich wieder stürzte.
    Während Ryan sich hochrappelte, sah Paul zu Benito St. Giovanni hinüber. »Jetzt haben Sie endlich Gesellschaft.« Er wischte sich die Hände an der Hose ab. »Verraten Sie Ihrem Zellengenossen doch, mit wem mein Bruder verheiratet ist. Das interessiert ihn bestimmt.«
    Der stämmige Wächter schob den Riegel vor, und Paul mahnte ihn zu besonderer Wachsamkeit. Als er ins Dulcie’s kam, aßen seine Schwestern bereits. Nachdem er bestellt hatte, platzte Yvette heraus: »War das Mademoiselle Charmaines Vater?«
    »Leider ja, aber du darfst ihr nicht sagen, dass er hier ist.«
    »Warum ist er denn hier?«, fragte Jeannette mit besorgtem Blick.
    »John will mit ihm abrechnen. Er hat den Tod seiner Frau verschuldet.«
    »Und was macht Johnny mit ihm?«
    »Das weiß ich nicht, Yvette.«
    »Was würdest du denn tun?«, fragte Jeannette.
    Paul fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das weiß ich ebenso wenig. Darüber müsste ich auf jeden Fall lange und gründlich nachdenken. Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr Charmaine gegenüber den Mund haltet?«
    »Wenn du das möchtest, dann tun wir das auch«, versprach Yvette im Brustton der Überzeugung.
    »Ich danke euch, und übrigens vielen Dank, dass du meine Warnung auf dem Kai verstanden hast. Ich wollte den Mann zu Father Benito sperren, bevor er überhaupt begreift, warum er hier ist.«
    Yvette lächelte. »Ich wette, das war die Überraschung seines Lebens.«
    »Das kann man wohl sagen«, meinte Paul. »Das kann man wohl sagen.«
    New York
    Nach einem langen, erschöpfenden Tag auf den Straßen von New York war Frederic rechtschaffen müde, und Michael war hungrig. In der Nähe des Hafens riefen sie einen Wagen und ließen sich zum Washington Square zurückfahren. Frederic hatte die Stadt gründlich satt. Nach wochenlanger Suche hatten sie praktisch nichts erreicht. Selbst die neue Idee mit dem Namen Coleburn war eine Sackgasse gewesen. Er starrte aus dem Fenster, fühlte sich müde und niedergeschlagen und hatte Heimweh. Während die Dunkelheit hereinbrach, eilten die Menschen durch die Straßen, um noch schnell ein Brot oder ein Stück Fleisch für das Dinner zu kaufen.
    Er schloss die Augen und döste im schaukelnden Wagen vor sich hin. Als eines der Räder plötzlich in ein Loch rumpelte, fuhr er hoch, und als er aus dem Fenster sah, zog die Silhouette eines Mannes seine Aufmerksamkeit auf sich. Groß, schlank und dunkelhaarig. In diesem Moment erreichte der Mann die Straßenecke, und sein Mantel bauschte sich im Wind. Eine Hand griff nach dem Hut, während die andere eine schwarze Tasche festhielt.
    Frederics Herz raste. Ihr Wagen bog in die entgegengesetzte Richtung ab! Er brüllte dem Fahrer zu, dass er anhalten solle. Dann stieß er mit seinem Stock die Tür auf und wäre fast aus dem Wagen gefallen, während der Fahrer ihm nachbrüllte. »Bleiben Sie hier, Mann! Sie haben noch nicht bezahlt!«
    Aber Frederic hörte ihn nicht. Rücksichtslos bahnte er sich mit den Schultern seinen Weg durch die Menge und ließ das Geschimpfe der Leute ungerührt an sich abprallen. Auf seinen Stock gestützt setzte er sogar über die Köter hinweg, die auf der Straße und im Rinnstein nach Essbarem suchten. Als er am Ende seiner Kräfte die Ecke erreichte, war der Mann nirgendwo zu sehen. War er geradeaus gegangen oder doch nach rechts oder links? Keuchend drehte sich Frederic in alle Richtungen, um in der

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