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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Inzwischen unterhielt sich der schwarze Mann ganz normal mit ihm. So erfuhr der Priester, dass Frederic und John auf der Jagd nach Blackford Charmantes verlassen hatten. Paul trug die Verantwortung für die Insel, und Agatha hatte angeblich Selbstmord begangen, wie man sich erzählte.
    Es konnte Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis Blackford gefunden war. Also hatte er vermutlich Zeit genug, um sich aus dem Gefängnis herauszugraben, seine Juwelen einzusammeln und die Insel mit Hilfe des kleinen Boots zu verlassen, das er in der Nähe seines Häuschens im Wald versteckt hatte. Falls Paul die Flucht entdeckte, bevor er der Insel den Rücken kehrte, würde er zuerst im Hafen nach ihm suchen. Aber Giovanni hatte alles sorgfältig geplant. Bei dem Ruderboot befand sich auch eine Seekarte, und das nächste unbewohnte Land war das winzige Esprit, das sich in einem halben Tag erreichen ließ. Dort würde niemand nach ihm suchen, und mit den Einmachgläsern voller Trinkwasser und Nahrung, die er dort verstaut hatte, konnte er, wenn nötig, mindestens vierzehn Tage überleben. Von Esprit aus waren die bewohnten Inseln der Bahamas bei gutem Wind in sechs Ruderstunden zu erreichen. Dort konnte er sich unter die Bevölkerung mischen und bei günstigen Gegebenheiten in die Zivilisation weiterreisen. Er brauchte nur eine ruhige See und etwas Glück. Dank Agathas Gaben konnte er außerdem dem Priestertum endlich Adieu sagen.
    Donnerstag, 15. November 1838
    John träumte. Er war zu Hause – auf Charmantes – in seinem Zimmer. Colette stand an den französischen Türen und lockte ihn: Diesmal folgte er ihr hinaus auf den Balkon, quer über die Wiesen hinter dem Haus und weiter zum Wald und dann den kleinen Fußweg entlang zum See.
    Er stand schon am Ufer, als er begriff, dass Colette nicht mehr da war und er nur noch ihren zarten Lilienduft wahrnahm. Eine dunkle gesichtslose Gestalt beugte sich außerhalb seiner Reichweite über das Wasser. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, war alles in Dunkelheit getaucht. Lichtblitze zuckten über das unruhige Wasser.
    Dann sah er das Boot, das gefährlich schaukelte, und den Jungen darin. Wie vorauszusehen, kenterte es, und der Junge fiel ins Wasser. Er wollte loslaufen, um Pierre zu retten, doch er konnte seine Füße nicht bewegen. Als ob ihn Wurzeln am Boden festhielten. Er hatte keine Sekunde zu verlieren und konnte doch nur entsetzt und hilflos zusehen. Verzweifelt schaute er zu dem gesichtslosen Wesen hinüber, wie es sich immer weiter entfernte und sich schließlich zwischen den Stämmen verlor.
    Erschrocken schoss er in die Höhe, als ein markerschütternder Schrei den Albtraum beendete. Er sprang aus dem Bett und rannte über den Flur zu Frederics Zimmer. Als er nach dem Türknauf griff, wurde die Tür bereits aufgerissen.
    Verschlafen sah Frederic ihn an. »Was ist los?«
    »Ich habe dich schreien hören.«
    »Nein, ich habe dich gehört!«
    »Ich habe nicht geschrien«, widersprach John. »Vielleicht war es Michael.« Er ging den Flur entlang, aber der Priester schnarchte laut und vernehmlich. »Vielleicht haben wir sein Schnarchen gehört«, meinte er und schloss geräuschlos die Tür. »Oder die Fenster klappern.« Damit kehrte er in sein Zimmer zurück.
    Frederic folgte ihm. »Ich habe von Pierre geträumt«, sagte er leise. John blieb wie angewurzelt stehen. »Zuerst war er am See«, fuhr sein Vater fort. »In einem Boot, aber es war sehr dunkel. Das Boot kenterte …« Seine Stimme brach.
    »Und?«, drängte John.
    »Ich war machtlos, ich konnte ihn nicht erreichen, genau wie an dem Morgen, als Blackford …«
    »Hast du das schon vorher geträumt?«
    »Nein, nein. An dem Morgen, als Blackford Pierre entführt hat, war ich hellwach. Colette war bei mir und hat mich auf den Balkon gelockt, aber dann löste sie sich plötzlich in Luft auf. Ich dachte schon, ich würde verrückt … bis ich eine Bewegung am Waldrand bemerkte. Plötzlich packte mich entsetzliche Furcht. Deshalb habe ich doch Paul zum See geschickt.«
    Bestürzt starrte John seinen Vater an. Bisher hatte er keine Ahnung gehabt, warum sein Bruder zum See gerannt war, und hatte angenommen, dass Charmaine Paul alarmiert hatte, als Pierre nicht im Kinderzimmer war. John war zutiefst verwirrt und wollte gern in sein Zimmer zurück. Doch Frederic hielt ihn auf. »Die Geschichte geht noch weiter.«
    Mit gerunzelter Stirn hob John langsam den Kopf.
    »Der Traum änderte sich. Plötzlich war ich hier in New York. Und dann

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