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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Offenbar hatten es die Männer auf die Räume ihres Vaters abgesehen. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie durchs große Treppenhaus nach oben laufen sollte, aber dann verwarf sie den Gedanken. Es war sicherer, den beiden zu folgen. Sie wartete, bis sie das Geräusch einer Tür hörte. Dann hielt sie sich am Geländer fest und stürmte in absoluter Finsternis die Treppe hinauf. Im Flur lauschte sie an sämtlichen Türen, doch nichts war zu hören. Da sie nicht wusste, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte, entschied sie sich erst einmal für das Ankleidezimmer ihrer Mutter. Lautlos öffnete sie die Tür und spähte hinein. Das Mondlicht schien durch die französischen Türen, aber von den Männern keine Spur. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Salontür und horchte. Nichts. Sie wartete endlose Minuten und lauschte so angestrengt, bis ihr der eigene Atem in den Ohren dröhnte. Wo steckten die beiden nur? Ob sie in den Räumen ihres Vaters suchen sollte? Sie biss sich auf die Unterlippe und drehte geräuschlos den Knauf. Dann presste sie ein Auge an den einen schmalen Spalt und spähte hinein. Der Salon war leer. Sie seufzte erleichtert.
    Doch kaum, dass sie den Raum betreten hatte, wurde sie ohne Vorwarnung von hinten gepackt und in die Höhe gehoben. Eine stinkende Hand legte sich über ihren Mund und erstickte ihren Schrei. Als sie wie eine Verrückte um sich schlug und trat, raunte es an ihrem Ohr: »Wenn du weißt, was gut für dich ist, lässt du das sofort bleiben!« Aber sie strampelte und zappelte weiter, bis Father Benito aus dem Schatten trat und eine Pistole auf sie richtete.
    »Du spionierst zu viel, Yvette!«, flüsterte er.
    Als sie weiter strampelte, spannte er den Hahn, woraufhin sie augenblicklich innehielt. »Ich vermute, dass du die Reitgerte hinter meinem Schuppen verloren hast.« Er schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Und deine liebe Stiefmutter hat tatsächlich geglaubt, dass der Wind die Körbe umgeworfen hat!«
    Yvettes Braue zuckte, und Benito ließ ein drohendes Lachen hören. »Dachte ich es mir doch! Du wirst schon noch merken, wie es Kindern ergeht, die zu neugierig sind.« Er sah seinen Kumpan an. »Ich denke, wir können sie als Geisel gebrauchen, Mr Ryan.«
    Grinsend sah Ryan das Mädchen an. Father Benito ging zum Tisch und entzündete seine Laterne. »Na los, Mädchen, zeig mir, wo deine Mutter ihren Schmuck versteckt hat! Und zwar leise, wenn ich bitten darf. Ich würde deiner Schwester oder dem Kindchen der Gouvernante nur ungern Schmerzen zufügen.«
    Charmaine saß im Lehnstuhl und stillte Marie, als Jeannette plötzlich ins Zimmer kam und sie angstvoll ansah. »Was ist passiert?«, fragte sie besorgt.
    Rasch berichtete das Mädchen, was geschehen war, doch Charmaine war nicht allzu beunruhigt, weil sich der »Geist« noch kein einziges Mal gezeigt hatte. Eher war das wieder eine von Yvettes Eskapaden. Und was die Gestalt vor dem Haus anging, so war vermutlich einer der Stallknechte aus seinem Quartier oberhalb der Ställe nach draußen gegangen, um sich zu erleichtern. Trotzdem konnte sie nicht zulassen, dass Yvette um zwei Uhr nachts durchs Haus geisterte.
    Sie drückte dem Mädchen die strampelnde Marie in die Hand und stand auf, und nachdem sie ihren Morgenmantel neu geknotet hatte, nahm sie ihre Tochter wieder an sich. »Komm, Jeannette. Wir gehen deine Schwester suchen.«
    Wade ging um das Haus herum, doch als er nichts Ungewöhnliches feststellen konnte, beschloss er, sich wieder auf den Heimweg zu machen. Warum war er überhaupt gekommen? Rebecca würde er vermutlich erst wiedersehen, wenn sie sich selbst zur Heimkehr entschloss.
    Als er in der Nähe der Ställe um die Ecke bog, hörte er Stimmen. Die eine gehörte einem der Zwillinge und die andere eindeutig Johns Frau. »Wo kann sie denn nur sein?«, fragte das Mädchen, als beide aus der Kapellentür nach draußen blickten. »Sie wollte doch zur Kapelle gehen.«
    Das Mädchen schien besorgt. So besorgt wie er. Das brachte ihn dazu, einen Schritt vorzutreten. Erschrocken schrien die beiden auf. »Es tut mir leid … ich wollte Sie nicht erschrecken!«, entschuldigte er sich sofort. »Ich bin es … Wade Remmen.«
    Jeannette freute sich, doch Charmaine runzelte die Stirn. Ihr Schrei hatte Marie erschreckt, sodass sie einen Schrei ausstieß, der gleich darauf in lautes Weinen überging. »Warum schleichen Sie hier herum? Uns so zu erschrecken!«
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken, und

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