Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
tödlicher Hass«, murmelte John.
»Agatha hat jedes Recht, mich zu hassen.«
»Und auch meine Mutter.« Mit einem Mal begriff er, warum Agatha ihn all die Jahre gehasst hatte.
»Elizabeth trifft an alledem keine Schuld«, erklärte Frederic ein weiteres Mal. »Sie hat mich bezaubert, als meine Affäre mit Agatha gerade begonnen hatte. Aber Elizabeth hat erst als meine Geliebte von dieser Affäre erfahren.« Er senkte den Kopf. »Dass Agatha ihrer Schwester den Tod gewünscht und ihr diese Verbrecher auf den Hals geschickt hat … sie sogar dafür bezahlt hat …« Angesichts dieser so unvorstellbaren Grausamkeit versagte ihm die Stimme. Offenbar hatte er Agatha zeitlebens unterschätzt. »Sie hat mehr Unheil angerichtet, als man sich vorstellen kann. Zehn Jahre lang hielt ich dich für einen Sprössling dieser Verbrecher und glaubte felsenfest, dass die Vergewaltigung Elizabeths Tod verursacht hätte. Blackford hat mir das eingeredet, aber vermutlich wollte er nur seine Schwester rächen.«
John konnte das alles nicht fassen.
»Das soll beileibe keine Entschuldigung sein.« Frederic rieb sich die Stirn. »Du warst damals noch ein Baby. Es hätte mir nichts ausmachen dürfen, aber ich habe Elizabeth so sehr vermisst und einen Sündenbock gesucht.« Die Minuten dehnten sich, bis er endlich wieder sprach. »Was ist nur mit mir los? Werde ich jemals eine richtige Entscheidung treffen? Wann findet meine Familie endlich ihren Frieden?«
Diese Fragen konnte John seinem Vater nicht beantworten. Dazu hatte er sie sich oft genug selbst gestellt und sich verflucht, wenn er genau die Menschen verletzte, die ihm am nächsten standen. Zum ersten Mal verstand er seinen Vater besser, und der Gedanke, wie ähnlich sie einander waren, behagte ihm gar nicht.
»Aber wir wollen auch mit!«, protestierte Yvette lauthals, als sie feststellen musste, dass sie und ihre Schwester nicht zum Picknick des jungen Paars eingeladen waren.
»Aber Charmaine und ich möchten gern allein sein«, sagte John.
»Ich weiß, was das heißt! Ihr wollt euch küssen.«
»Ganz genau.« Er grinste, und Yvette schmollte.
Charmaines Wangen waren feuerrot, und John lachte in sich hinein. »Sie wissen, dass wir uns geküsst haben, my charm .«
»Genau. In deinem Schlafzimmer«, sagte Yvette, »aber das muss doch am Tag nicht so weitergehen, oder?« Sie sah ihre Schwester an. »Ich fand es besser, als sie noch nicht verheiratet waren.«
»Ich habe eine Idee«, sagte John. »Euer Vater war heute Morgen sehr niedergeschlagen. Ich denke, dass er ein wenig Gesellschaft brauchen könnte. Wenn ihr ihn aufheitert, dürft ihr morgen zum Picknick mitkommen. Wie hört sich das an?«
»Immerhin besser als nichts«, brummte Yvette.
John lächelte, und die Mädchen machten sich auf die Suche nach ihrem Vater.
Charmaine genoss es, John einen Tag ganz für sich allein zu haben. Er erzählte ihr vom Testament seines Vaters und von Agathas Auftritt. »Pauls Mutter, es ist nicht zu glauben«, murmelte er. »Wie oft haben wir gerätselt, wer wohl seine Mutter ist. Aber auf Agatha ist keiner gekommen.«
Charmaine war sehr erleichtert, dass die Frau nicht mehr im Haus wohnte.
»Das bedeutet, dass du nun die Herrin des Hauses bist«, bemerkte John. »Sozusagen Mrs Faradays Chefin.«
Charmaine lächelte. Bisher hatte sie noch niemandem Befehle erteilt.
»Du solltest dich auch entsprechend kleiden. Die schlichte Gouvernantenuniform hat meiner Meinung nach ausgedient. Morgen suchen wir dir im Laden eine passende Garderobe aus.«
»Ich möchte aber keine auffälligeren Kleider tragen als bisher.«
»Keine Sorge. Mandy hat Kataloge genug. Da werden wir schon das Richtige finden. Das ist mein Hochzeitsgeschenk.« Damit küsste er sie lange und genüsslich.
Als sie nach Hause zurückkehrten, hatten die Zwillinge ein Geschenk für sie beide vorbereitet. »Es ist ein wunderschönes Geschenk!«, empfing sie Jeannette bereits auf der Veranda.
»Oh, ja!«, rief Yvette und drängte sie zur Treppe. »Das schönste Geschenk, was sich nur denken lässt.«
»Und das uns auch gefällt«, ergänzte Jeannette und fing sich einen strafenden Blick ihrer Schwester ein.
»Die Spannung bringt mich fast um«, bemerkte John, als sie vor Charmaines Tür warten mussten.
Als die Mädchen endlich die Tür öffneten, erblickten sie an der Wand, die ans Kinderzimmer grenzte, Johns riesigen Kleiderschrank. »Wie habt ihr denn den hierhergebracht?«, fragte John überrascht.
»Joseph hat uns
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