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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Verletzungen nicht ungeschehen machen ließen. Auf jeden Fall wollte er sein Enkelkind mit großer Freude in der Familie willkommen heißen.
    Seine Töchter wurden von Tag zu Tag hübscher, und in ein paar Jahren würden sich die jungen Männer die Hälse verrenken. Aus diesem Grund hatte er auch gerne zugestimmt, dass John die beiden nach Virginia mitnahm. Es war an der Zeit, dass sie die Welt außerhalb der Inseln entdeckten. Natürlich würde er seine Mädchen sehr vermissen, aber John hatte versprochen, häufig zu Besuch nach Charmantes zu kommen.
    Trotz seines Konflikts mit Agatha und Pauls begründeter Wut war Frederic seit Jahren nicht mehr so zuversichtlich. Zu seinem großen Bedauern waren die Umstände von Pauls Geburt im Nachhinein nicht zu ändern, doch er hoffte sehr, dass er den Jungen zurückgewinnen konnte, wenn er erst mit John zu einem besseren Verhältnis gefunden hatte. Wenn jetzt noch Colette zu Hause auf ihn warten würde, wäre sein Leben vollkommen.
    Der Ladebaum der Black Star hievte ein riesiges Netz, randvoll mit Getreidesäcken, vom Deck des Handelsschiffs in die Höhe. Das Schiff hatte eine stürmische Fahrt in rauer See hinter sich, wobei die Fässer im Laderaum kollidiert und zum Teil geplatzt waren. Die Mannschaft hatte alles Getreide, das noch zu retten war, in Säcke geschaufelt. Doch im Unterschied zu Fässern konnte man diese nicht einfach von Bord rollen, sondern man musste sich mit Netz und Ladebaum behelfen.
    Frederic zuckte zusammen, als sich die Seile des Netzes ächzend spannten, und fragte sich, warum die Männer die Ladung nicht aufgeteilt hatten. Mit einem Mal geriet der Baum außer Kontrolle und schwang in einem Halbkreis über den Kai, bevor er in die Takelage des Vormasts krachte. Staubwolken stoben empor, als das Netz vor und zurück schaukelte und bei jedem Aufprall das Jutegewebe der Säcke weiter beschädigt wurde. Unter lauten Kommandos wurde das Netz langsam zurückgezogen, während das Getreide aus den zerstörten Säcken auf den Kai rieselte. Nach Frederics Überzeugung war das ausgebeulte Netz viel zu schwer. »Buck!«, schrie er. »Ihr müsst es …«
    »Vater!« Mit zusammengebissenen Zähnen stürzte Paul auf seinen Vater zu.
    »Paul! Ich wusste ja nicht, dass du …«
    »Wir müssen reden«, schnitt Paul ihm ohne Gruß das Wort ab.
    »Komm mit uns nach Hause. Dort können wir reden.«
    »Ich habe keine Zeit, aber ich muss einige Dinge mit dir klären.«
    Frederic nahm all seinen Mut zusammen. »Ich weiß, dass du wütend auf mich bist …«
    »Gib dir keine Mühe!«
    »Ich würde es dir gern erklären, aber nicht ausgerechnet jetzt.« Angesichts der gefährlichen Ladung über ihren Köpfen packte er Paul am Arm und zog ihn ein Stück zur Seite.
    Mit irrem Auflachen riss Paul sich los. »Du hattest zwanzig Jahre, um mir die Sache zu erklären! Und nun, da alles ans Licht gekommen ist, willst du noch mehr Zeit?«
    »Ich wollte dir niemals wehtun, Paul! Du bist doch mein Sohn und wirst immer …«
    »Wage nicht, es auszusprechen. Als ich deine Anerkennung und deine Liebe erringen wollte, was habe ich bekommen? Nur Gerede und sonst gar nichts!«
    Als sein Vater ihn ratlos ansah, steigerte sich Paul immer weiter in seine Wut hinein. Der Mann hatte keine Ahnung, wie schlecht er sich als Kind und auch noch als Heranwachsender oft gefühlt hatte. »Es war natürlich einfacher, gar nicht hinzusehen, statt mir die Wahrheit zu sagen. ›Paul Duvoisin … der Bastard? Nein, er weiß nichts über seine Herkunft. Seine Mutter muss eine tolle Hure gewesen sein, wenn sein Vater sogar ihren Bastard unter seine Fittiche nimmt! Aber das Geld hilft ihm auch nicht … er ist und bleibt ein Bastard!‹ Das habe ich tagtäglich zu hören bekommen! Und warum? Nur weil mein hochnäsiger Vater meine Mutter nicht heiraten wollte. Er hat sie mit einem Beutel voller Geld fortgeschickt und stattdessen die Schwester geheiratet. Wie konntest du dich selbst all die Jahre ertragen, Vater? Mich zu sehen … und immer zu wissen, was du meiner Mutter angetan hast … was du mir angetan hast? Antworte! Hast du auf Vergebung gehofft, wenn du mich bei dir aufnimmst? Dass meine Geburt legitimer wird, wenn du mir weismachst, dass meine Mutter tot ist? Dass ich …«
    Plötzlich hallte ein markerschütternder Schrei durch die Luft. Paul und Frederic blickten nach oben, als der Baum über sie hinwegschwang und sich eines der Hanfseile Strähne für Strähne auflöste. Das Netz brach, und eine Lawine

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