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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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»Das ist die Gutsmauer!«, rief sie. »Komm, wir klettern darüber!«
    Er wich zurück, als ein roter Wagen vorbeisauste. »Na schön. Du zuerst.«
    Sie hielt sich an den Steinen fest, steckte den Fuß in eine Spalte und zog sich grinsend hoch. Das war besser, das war ein Abenteuer.
    Ein Wagen hupte. Sie achtete nicht darauf, kletterte hoch, schwang die Beine über die Mauer und duckte sich unter die überhängenden Äste einer Lärche. Dann rutschte sie vorsichtig hinunter und sprang schließlich durch dichte knackende Zweige.
    Sofort war es stiller. Im Duft von Pinienharz und Moos konnte sie tief atmen.
    Der Rucksack landete mit einem Plumps neben ihr. Alex ließ sich unbeholfen von Ast zu Ast herunter, er rutschte an der Mauer entlang, fiel und stand auf. Sie grinsten einander an, dann kicherte Katie.
    »Es ist jedenfalls besser, als überfahren zu werden.« »Viel besser.« »Sind deine Hände okay?«
    Er rieb sie aneinander. »Harfenistenhände sind zäh.« Katie zog sich einen Zweig aus dem Haar und schaute sich um. »Gut. Und wo sind wir?«
    Sie standen in einem düsteren Gehölz von Nadelbäumen und Lärchen, die bis dicht an die Mauer wuchsen. Der Boden war weich und elastisch, die Nadeln bildeten eine hohe braune Matratze und zwischen den Stämmen gab es kein Unterholz. Katie ging voraus und hielt sich mehr oder weniger parallel zur Straße. Alex schulterte den Rucksack und folgte.
    Eine Zeit lang schwiegen sie, bis der Straßenlärm abgeklungen war. Dann fragte sie: »Erzählst du mir den Rest?« Er schaute sie an. »Du gibst nicht auf, was?« Katie wickelte eine Strähne um einen Finger. »Wenn du nicht willst ...«
    »Natürlich will ich nicht.« Es klang wütend. Als er weiterredete, wusste sie, dass er es schleunigst hinter sich bringen wollte.
    »Es gibt nicht mehr viel zu erzählen. Ich lebte einen Traum. An das meiste erinnere ich mich noch nicht einmal. Konzerte, Festivals, die Musik in meinem Kopf hörte nie auf. Wie die vom Zweig.« »Von was?«
    Wenn er es hörte, ließ er es sich nicht anmerken, er bückte sich tief unter die Äste. »Und dann bin ich aufgewacht. In einem klaren Moment.«
    Er stieg über einen umgefallenen Baumstamm, der faulte und zerfiel, und ging so rasch weiter, dass Katie kaum mitkam.
    »Es war eines Nachts nach einem Auftritt. Sie war mit den anderen draußen; dieses eine Mal hatten sie mich allein gelassen. Ich konnte ihr Lachen hören. Ich dachte, alle Zuhörer seien schon gegangen, aber als ich aufschaute, war noch jemand da, eine schattenhafte Gestalt in der dritten Reihe. Er war älter, irgendein Kirchenmann, und betrachtete mich aufmerksam. Schließlich kam er zur Bühne. Ich räumte auf und versuchte, nicht auf ihn zu achten, aber sobald er redete, durchdrang mich eine Art Stille, als wäre etwas verschwunden, eine schrecklich gespannte Blase geplatzt. Er sagte nur: >Sohn, was tust du dir an?<
    Das war alles. Aber er klang so gütig, Katie. Und plötzlich wurde mir klar, dass seit Jahren niemand so mit mir gesprochen hatte.«
    Abrupt blieb er stehen und legte eine Hand an einen Baumstamm. »Ich schaute auf und sah mein Gesicht, das sich im Glas hinten an der Bühne spiegelte, und erkannte mich kaum. Ich war so dünn, so ausgelaugt. Da wusste ich, dass ich immer weniger wurde, dass sie die Energie aus mir sog, sich von mir ernährte. Ich konnte sie durch den Spalt in der Tür sehen mit ihrem schwarzen, glänzenden Haar, ihren roten, vollen Lippen. Sie war jünger geworden. Ich war überzeugt, dass sie jünger geworden war.« Katie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Sanft sagte sie: »Was hast du gemacht?« Alex ging langsamer weiter. Die Nadelbäume waren hier dunkler; Fliegen stiegen in Wolken hoch. »Der Priester gab mir das. Er drückte es mir einfach in die Hand. >Ich werde für dich beten<, sagte er und ging.«
    Die Finger des Harfenisten drehten die Scheibe an seinem Hals. »Es ist Eisen. Sobald sie zurückkam, spürte sie es und der ganze Zauber fiel von ihr ab. Ich sah sie richtig, sah, dass sie schön und kalt war, dass sie überhaupt nichts Menschliches hatte.«
    Er streifte die unteren Zweige. »Ich kann dir nicht alles erzählen. Es war die Hölle, aber ich kam frei. Es kostete mich fast meinen Verstand, weil alles, was ich wollte, die Musik war, und so ist es immer noch. Du bist nie wirklich in Sicherheit ...«
    Katie berührte ihn am Arm und er zuckte zusammen, als hätte er sie vergessen. Sie blieb stehen und schaute ihn

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