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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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ihnen nie erzählen können, nicht richtig. Diese Ärzte, diese Analytiker mit ihren Titeln und Therapien und Tests, was wissen die schon über die Musik, wie sie einen auffrisst, was man dafür tun würde?« Katie schwieg.
    »Die Leute auf dem Jahrmarkt, die wissen es. Du weißt es, in gewisser Weise.« »Ich bin kein Musiker.«
    »Aber dein Freund ist einer.« Er drehte die Scheibe und sah so erregt aus, dass sie ihm schon sagen wollte, es sei nicht wichtig. Aber bevor sie den Mund aufmachte, redete er wieder, seine Stimme war leise.
    »Es begann vor Jahren. Ich wollte spielen, aber wir konnten den Unterricht nicht bezahlen. Deshalb lernte ich von Freunden, ging zu einem Folkclub, kam in eine Band, das Übliche. Ich war ehrgeizig; ich wusste, dass ich gut sein konnte, aber ich glaubte nie wirklich an mich, nicht als Komponist und nicht als einer von denen, die man brillant nannte und unbedingt hören wollte, auch wenn sie meilenweit entfernt auftraten. So wollte ich sein, mehr als alles andere, aber ich glaubte nie, dass ich es schaffen würde. Bis ich sie traf.«
    Katie sah ihn an. Seine Augen schauten in die Ferne, in die Erinnerung.
    »Sie hatte langes schwarzes Haar, eine wirre Mähne. Ich arbeitete damals in einem Gartencenter, und ich hasste es. Eines Tages war mir alles zu viel. Ich hatte es satt und war verzweifelt, fast krank vor Hoffnungslosigkeit. Ich schaute auf und da stand sie, an einem Springbrunnen. Auf dem Weg dorthin hätte sie an mir vorbeigehen müssen, aber das hatte sie nicht getan. Sie war einfach erschienen. Ich glaube, ich wusste von Anfang an, dass sie nicht sterblich war, nicht wirklich wie wir anderen.« Katie lachte beklommen. »Nicht sterblich?« »Nein.« Er war bedenklich ruhig.
    Die Sonne brannte durchs Fenster auf ihren nackten Arm, doch sie merkte es kaum. Der Bus fuhr wieder hinaus auf die Hauptstraße.
    Alex sagte: »Ich weiß, was du denkst, aber ich bin nicht verrückt. Sie haben viele Namen. Sie nennen sich Heerscharen der Lüfte, die Sidhe, der Mitternachtsrat. Sie führt sie an. Sie kann Großes vollbringen, Katie. Sie haben mich gelehrt zu spielen wie ein Zauberer; ich konnte alles. Manchmal hatte ich Angst, zur Harfe zu greifen, so fantastisch war die Musik. Ich verließ alles, meinen Job, die Familie, Freunde. Ich aß nicht, ich schlief nicht. Nichts war mir wichtig außer der Musik. Ihre Musik. Ich gehörte ihr.«
    Der grelle Sonnenschein war sengend. Katie hob die Hand, um ihr Gesicht zu beschatten. »Aber das war nicht Rowan«, flüsterte sie. »Oder?«
    Er schaute sie an, dann an ihr vorbei, und machte plötzlich große Augen. »Wir haben die Haltestelle verpasst!«Er sprang auf und drückte den Halteknopf.
    Der plötzliche Stimmungswechsel versetzte ihr einen Schock. Eine Sekunde lang war sie verwirrt, dann fand sie in die Gegenwart zurück und angelte nach der Plastiktüte, die unter den Sitz vor ihr gerutscht war.
    Als sie zur Tür kam, sagte der Busfahrer achselzuckend zu Alex: »Tut mir Leid. Hinter mir ist ein Sattelschlepper und ich kann nirgendwo ausweichen. Sie müssen warten bis zur Kreuzung.«
    Als der Bus davonfuhr, standen sie auf einer kleinen Grasinsel bei einem Telefonhäuschen. Hinter ihnen führte ein Weg zwischen unbeschnittenen Hecken zurück; rechts und links zog sich die Hauptstraße weiter, Wagen rasten vorüber.
    »Wir müssen zu Fuß gehen. Gib mir deine Tüte.« Sie gab sie ihm; er stopfte sie in den Rucksack. »Tut mir Leid«, murmelte er. »Das war mein Fehler.« »Ich habe es auch nicht gemerkt.«
    Sie wollte unbedingt mehr herausbekommen, doch der Verkehr war zu laut, sie konnten einander kaum verstehen. Sie gingen die Hauptstraße entlang, Alex voraus, den Autos entgegen. Hier gab es keinen Gehsteig, nur eine Hecke mit Nesseln, an denen sie sich verbrannten. Hupen heulten. Katies Haare wehten wild im Fahrtwind. »Es ist zu gefährlich«, schrie sie. Er zuckte die Achseln. »Was können wir sonst tun?« Sie waren über eine Meile von den Haupttoren von Stokesey entfernt, wo die Bushaltestelle war. Lastwagen ratterten an ihnen vorbei und ließen den Asphalt beben; Lärm, Staub und Abgasgestank waren unerträglich. Die Geschwindigkeit und Nähe der Wagen betäubten Katie zuerst, aber dann scheuchte eine Lastwagenkolonne sie fast in den Graben. Alex drehte sich besorgt um. »Okay?« »Wir werden noch überfahren, wenn wir so weitergehen!« Sie schaute auf. Die Hecke hatte jetzt einer Steinmauer Platz gemacht, die hoch, aber nicht glatt war.

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