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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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ihr beiden euch vertragen, bevor ich gekommen bin, Mick?«
    Überrascht drehte er sich um. »Gut. Aber jetzt liegt es nicht an dir. «»Bist du sicher?« Sie strich sich die langen blonden Haare aus dem Gesicht. »Denn wenn ich glauben muss, es sei ...« »Mit dir hat es nichts zu tun«, sagte er betroffen und lehnte sich an die Spüle. »Ehrlich. Dad und ich kommen immer noch gut miteinander aus, glaube ich, im Prinzip. Aber er wollte von Anfang an nicht, dass ich mich mit Musik beschäftige, und er hasst den Jahrmarkt. Ich weiß nicht, warum. Ich meine, ich weiß, dass es für ihn zusätzliche Arbeit bedeutet, aber das allein scheint nicht der Grund zu sein. «
    »Vielleicht ist er eifersüchtig.« Sie sagte es leise und schaute ihn spitzbübisch an. Mick war verwirrt. »Worauf?«
    »Die Leute. Schausteller, Musiker, Handwerker. Ihre Freiheit. «
    »Das alles hasst er.«
    »Wirklich?« Sie streichelte das Baby am Kopf. »Hast du gewusst, dass er Archäologe werden wollte, als er in deinem Alter war?«
    »Dad?«, fragte Mick verdutzt. »Selbst alte Käuze waren einmal jung.« »Das hat er mir nie erzählt.« Er merkte, dass es ihn kränkte. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, bis vor kurzem hatte er es selbst vergessen.« Mick ging zur Tür.
    »Soll ich ihm sagen, dass du weggehen willst?«, fragte sie. Unschlüssig blieb er stehen. Dann sagte er: »Okay.«
    Aber zuerst musste er es Rowan sagen. Er lag auf dem Bett und betrachtete die Glockenspiele. Es ging kein Wind, noch nicht einmal eine Brise, trotzdem schaukelten sie und klimperten leise wie in der Luft eines anderen Landes, dem mit all den Folksongs, jenseits der Hügel und weit entfernt. Die Klänge waren zart und verführerisch, aber sie befriedigten ihn nicht, keiner war wie das Spiel des Zweigs, dieser atemberaubende Ton, nach dem er jetzt ständig horchte.
    Draußen zeigte sich der Mondrand silbern über den Bäumen. Er stand auf, nahm die Flöte und ging hinaus. Stokesey Hall war dunkel und voll gähnender Höhlen. Er ging durch die Korridore, unter den flachen gerahmten Gesichtern der längst Verstorbenen entlang, durch die Prunkräume, dann die Hintertreppe für Dienstboten hinunter und öffnete schließlich die Geheimtür in der Täfelung, durch die er auf den Absatz über der großen Treppe kam. Im Mondlicht beugte er sich über das reich verzierte Geländer und horchte.
    Irgendwo drunten spielten sie.
    Die Musik klang heute Abend wehmütig; ein einzelner Flötist spielte ein Klagelied; die langen Akkorde schickten ihm sogar hier einen eisigen Schauder über den Rücken. Schwach wehten die Töne über die staubigen Wege. Schon seit Tagen waren sie im Haus, als hätte er sie irgendwie hereingelassen. Er wusste nur nicht, wie. Leise ging Mick die Treppe hinunter, der weiche Teppich war elastisch unter seinen Füßen. Unten stieg er über das rote Quastenseil und schob sich zwischen den stillen Möbeln hindurch: eine Chaiselongue, der kleine Tisch mit der vergoldeten Uhr, der Schreibtisch, auf dem immer ein unbeendeter Brief lag. Als wären die Besitzer gerade ausgegangen, würde sein Vater sagen. Er öffnete die Doppeltür zum Zedernsaal. Hier war die Musik lauter. Durch hohe Fenster ohne Läden fielen schräge Mondlichtquadrate und versilberten die dicken Gesichter mit den Backenbärten, die zwischen dichtes Laub geschnitzt waren.
    Der Raum war groß und leer. Als Mick über den knarrenden Boden ging, kam er sich klein und atemlos vor, starke unterdrückte Erregung durchpulste ihn. Mit den Fingern auf dem kalten Messinggriff wartete er.
    Aus dem Klagelied stöhnte das Leid; alle Qual der Welt wurde darin ausgedrückt. Mick drehte den Ring und ging hinein.
    Hier waren sie.
    Der Mitternachtsrat war im ganzen Raum verteilt, seine Mitglieder saßen still auf den Fenstersimsen, lagerten auf dem Boden, auf Stühlen, Kaminsims und Tisch und beobachteten ihn aus ihren schmalen, funkelnden Augen. Der güldene Saal hatte alle Farbe verloren. Jetzt war er silbern, sein prächtiger Glanz war einem kalten Schimmer gewichen. Es waren irische Pfeifen, die er hörte; ein kleines Mädchen spielte sie, die langen Finger berührten zart die Löcher. Ihr Gesicht war schön, aber als sie aufhörte zu spielen und ihn anlächelte, wusste er, dass sie älter war, als sie schien, älter als das Haus, älter, als er träumen konnte. »Mick!«
    Rowan saß auf einem Fenstersims im Mondlicht. Die schmalen Mondsicheln an ihren Ohren schwangen und funkelten.

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