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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dicht an sich heran. Mein Arm tut weh. »Was hast du vor? Gegen deinen Hausarrest verstoßen und noch einen Priester umbringen? Einmal ›lebenslänglich‹ reicht dir wohl noch nicht?«
    Â»In Louisiana gibt es die Todesstrafe«, kontere ich. Caleb läßt mich so abrupt los, daß ich zurückstolpere und hinfalle. »Willst du das?« fragt er ruhig. »Bist du wirklich so egoistisch?«
    Â»Egoistisch?« Ich weine jetzt haltlos. »Ich tue das für unseren Sohn.«
    Â»Du tust das für dich , Nina. Wenn du auch nur ein kleines bißchen an Nathaniel denken würdest, dann würdest du dich darauf besinnen, seine Mutter zu sein. Du würdest endlich aufstehen und dein Leben wieder in den Griff bekommen, und du würdest diesen Gwynne unserem Rechtssystem überlassen.«
    Â»Rechtssystem. Soll ich etwa abwarten, bis die Gerichte endlich soweit sind, gegen diesen Dreckskerl Anklage zu erheben? Während er zehn, zwanzig andere Kinder vergewaltigt? Und soll ich dann noch länger warten, während die Gouverneure von Maine und Louisiana sich darüber streiten, wem die Ehre zuteil wird, den Prozeß zu führen? Und soll ich dann noch einmal warten, während Nathaniel gegen das Schwein aussagen muß? Und soll ich zusehen, wie Gwynne zu einer Strafe verurteilt wird, die er längst verbüßt hat, wenn unser Sohn noch immer unter Alpträumen leidet?« Ich atme tief und zittrig ein. »So sieht dein Rechtssystem aus, Caleb. Lohnt es sich, darauf zu warten?«
    Er antwortet nicht, und ich stehe auf. »Ich muß sowieso wegen Mordes ins Gefängnis. Ich habe kein Leben mehr. Aber Nathaniel soll eins haben.«
    Â»Möchtest du, daß dein Sohn ohne dich aufwächst?« Calebs Stimme bebt. »Das kannst du haben.«
    Er steht jäh auf, geht aus dem Schlafzimmer und ruft Nathaniels Namen. »He, Sportsfreund«, höre ich ihn sagen. »Wir gehen jetzt auf Abenteuerfahrt.«
    Meine Hände und Füßen werden taub. Aber ich schaffe es, in Nathaniels Zimmer zu gehen, wo Caleb wahllos Kleidungsstücke in einen Batman-Rucksack stopft. »Was … was machst du denn da?«
    Â»Wonach sieht es denn aus?« entgegnet Caleb, ein Echo meiner eigenen Worte von vorhin.
    Nathaniel hüpft im Bett auf und ab. Sein Haar fliegt wie Seide. »Du kannst ihn mir nicht wegnehmen.«
    Caleb zieht den Rucksackreißverschluß zu. »Wieso nicht? Eben warst du selbst bereit, dich ihm wegzunehmen.« Er sieht Nathaniel an, zwingt sich zu einem Lächeln. »Fertig?« fragt er, und Nathaniel springt ihm in die ausgestreckten Arme.
    Â»Bis bald, Mommy!« kräht er. »Wir gehen auf Abenteuerfahrt!«
    Â»Ich weiß.« Es ist nicht leicht, mit einem Kloß im Hals zu lächeln. »Ich hab’s gehört.«
    Caleb trägt ihn an mir vorbei. Schritte poltern die Treppe hinunter, und dann fällt die Tür ins Schloß. Der Motor von Calebs Pick-up springt an, und der Wagen rollt die Einfahrt hinunter.
    Ich sinke auf Nathaniels Bett, auf die Decke, die nach Buntstiften und Lebkuchen riecht. Tatsache ist, daß ich dieses Haus nicht verlassen kann. Sobald ich das tue, ist im Handumdrehen ein Polizeiwagen hinter mir her. Ich würde festgenommen, bevor ich auch nur am Flughafen wäre.
    Caleb hat es geschafft. Er hat mich daran gehindert zu tun, was ich unbedingt tun will.
    Denn er weiß, falls ich jetzt doch aus dem Haus gehe, dann nicht, um Arthur Gwynne zu finden. Ich würde nach meinem Sohn suchen.

    Drei Tage später hat Caleb sich immer noch nicht gemeldet. Ich habe in jedem Hotel und Motel im gesamten Umkreis angerufen, aber falls er in einem davon abgestiegen ist, dann nicht unter seinem richtigen Namen. Aber heute ist Heiligabend, und da werden sie bestimmt zurückkommen. Nathaniels Geschenke habe ich allesamt hübsch eingepackt. Von den allmählich schwindenden Vorräten im Kühlschrank habe ich ein Hühnchen zubereitet und Selleriesuppe gemacht. Und den Tisch habe ich mit unserem besten Geschirr gedeckt.
    Ich habe auch geputzt, weil ich möchte, daß Caleb gleich, wenn er hereinkommt, sieht, wie sauber es ist. Wenn er den äußerlichen Unterschied sieht, begreift er ja vielleicht, daß ich auch innerlich anders bin. Ich hab mir das Haar zu einem französischen Knoten gebunden und trage eine schwarze Samthose mit roter Bluse. Als Ohrstecker habe ich mich für das

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