Die Macht des Zweifels
an.
Sein Vater hat Nathaniel bestimmen lassen, was sie machen. Also haben sie den ganzen Tag in einem Fort gespielt und sind mit einer Seilbahn gefahren. Sie waren in einem Restaurant, an dem drauÃen ein riesengroÃer Elchkopf aufgehängt war, und Nathaniel durfte sich fünf verschiedene Nachspeisen bestellen. Dann sind sie auf ihr Zimmer gegangen und haben die Geschenke aufgemacht. Sie haben alles getan, was Nathaniel wollte, und das ist zu Hause nie so.
»Na«, sagt sein Vater. »Was möchtest du als nächstes?«
Aber das einzige, was Nathaniel wirklich will, ist, daà alles wieder so ist wie früher.
Um elf Uhr klingelt es, und ein Weihnachtsbaum steht vor der Tür. Dann lugt Patricks Gesicht zwischen den Zweigen hervor. »Hallo«, sagt er.
Mein Gesicht fühlt sich gummiartig an und das Lächeln darauf fehl am Platze. »Hallo.«
»Ich hab euch einen Baum gekauft.«
»Das sehe ich.« Ich trete zurück und lasse ihn ins Haus. Er lehnt den Baum gegen die Wand, und es regnet Nadeln um unsere FüÃe. »Calebs Pick-up ist nicht da.«
»Genau wie Caleb. Genau wie Nathaniel.«
Patricks Augen werden dunkel. »Ach, Nina. Meine Güte, das tut mir leid.«
»Muà es nicht.« Ich setze mein tapferstes Grinsen auf. »Jetzt hab ich einen Baum. Und jemanden, der mir dabei hilft, mein Weihnachtsessen zu verspeisen.«
»Selbstverständlich, es ist mir ein Vergnügen.«
»Komm rein. Ich hol das Essen aus dem Kühlschrank.«
»Sofort.« Er läuft zu seinem Wagen zurück und kommt mit etlichen Einkaufstüten wieder. Manche sind mit Schleifen zugebunden. »Frohe Weihnachten.« Dann fällt ihm noch etwas ein, und er beugt sich vor und küÃt mich auf die Wange.
»Es hatten nicht mehr viele Geschäfte offen«, entschuldigt Patrick sich, während er anfängt, die Tüten auszupacken. Popcorn, Käsekräcker, Chips. Alkoholfreier Sekt.
Ich nehme die Sektflasche und drehe sie in der Hand. »Ich darf mich noch nicht mal betrinken, was?«
»Weil dich das wieder ins Gefängnis bringt.« Patrick hält meinem Blick stand. »Du kennst die Regeln, Nina.«
Und weil er schon immer gewuÃt hat, was gut für mich ist, folge ich ihm ins Wohnzimmer, wo wir den Baum in den leeren Ständer stellen. Wir machen ein Feuer und hängen dann den Christbaumschmuck aus den Schachteln, die ich vom Speicher geholt habe, an die Zweige.
Als wir fertig sind, setzen wir uns auf die Couch und essen kaltes Hühnchen mit Chips. Unsere Schultern berühren sich, und ich muà daran denken, wie wir früher oft auf dem schwimmenden Pier am Badesee eingeschlafen sind, wie die Sonne uns ins Gesicht und auf die Brust brannte, unsere Haut auf genau dieselbe Temperatur erhitzte. Patrick stellt die anderen Tüten unter den Baum. »Du muÃt mir versprechen, daà du sie erst morgen früh aufmachst.«
Mir wird klar, daà er sich verabschieden will.
»Aber bei dem Schnee â¦Â«
Er zuckt die Achseln. »Allradantrieb. Das geht schon.«
Ich drehe mein Glas hin und her. »Bitte«, sage ich, mehr nicht. Vorher war es schon schlimm genug. Jetzt, wo Patrick hier ist, wird mir alles noch leerer vorkommen, wenn er geht.
»Wir haben schon morgen.« Patrick zeigt auf die Uhr: Viertel nach zwölf. »Frohe Weihnachten.« Er gibt mir zwei von den Plastiktüten.
»Aber ich hab nichts für dich.«
»Nun mach schon auf.«
In der ersten Tüte ist ein kleines Zelt. In der zweiten eine Taschenlampe und ein funkelnagelneues Cluedo-Spiel. Ein Lächeln huscht über Patricks Gesicht. »Jetzt hast du die Chance, mich zu schlagen, was du natürlich nicht schaffst.«
Begeistert strahle ich ihn an. »Ich mach dich fertig.« Wir ziehen das Zelt aus der Schutzhülle und bauen es vor dem Weihnachtsbaum auf. Es ist weià Gott nicht für zwei Erwachsene gedacht, aber wir kriechen trotzdem hinein. »Ich glaube, Zelte sind kleiner geworden.«
»Nein, wir sind gröÃer geworden.« Patrick legt das Spielbrett zwischen uns. »Ich laà dich sogar anfangen.«
»Du bist ja ein richtiger Märchenprinz«, sage ich. Mit jedem Wurf des Würfels scheinen wir ein Jahr zurückzugleiten. Unsere Knie stoÃen aneinander, und unser Lachen erfüllt die kleine Vinyl-Pyramide. Die Christbaumkerzen da drauÃen könnten Glühwürmchen sein. Die
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