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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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die Hände hinter dem Kopf gefaltet, und wartet, daß Nathaniel einschläft. Dann guckt Caleb manchmal Fernsehen, oder er macht eine Lampe an und liest Zeitung.
    Heute steht ihm nicht der Sinn danach. Er hat keine Lust auf die Spekulationen irgendwelcher Experten, die schon nach dem ersten Verhandlungstag meinen, eine Aussage über Ninas Schicksal machen zu können.
    Eines steht fest: Die Frau, die all die Zeugen gesehen haben, die Frau auf dem Video – das ist nicht die Frau, die Caleb geheiratet hat. Und wenn deine Frau nicht mehr der Mensch ist, in den du dich vor acht Jahren verliebt hast, was machst du dann? Vielleicht, denkt Caleb leicht entsetzt, ist er selbst ja auch nicht mehr der Mensch, der er einmal war.
    Heute nachmittag, als Patrick in das Besprechungszimmer kam, um ihnen mitzuteilen, daß Gwynne tot ist … na ja, bestimmt überinterpretiert Caleb da was. Nina und Patrick kennen sich schließlich schon von Kindesbeinen an. Und obwohl der Typ ein richtiger Klotz am Bein ist, hat die Freundschaft der beiden Caleb eigentlich nie ernsthaft gestört, denn schließlich war er es, der jede Nacht an Ninas Seite schlief.
    Aber in letzter Zeit eben nicht.
    Caleb schließt die Augen, als könnte er dadurch die Erinnerung ausblenden, wie Patrick sich jäh abwendete, als Nina ihre Arme um Caleb schlang. Das war zwar nicht weiter beunruhigend – Caleb hat schon zahllose Male erlebt, daß Patrick irgendwie verunsichert reagierte, wenn er mitbekam, wie Nina ihren Mann berührte oder anlächelte … obwohl Nina das anscheinend nie bemerkt hat.
    Heute jedoch hat er in Patricks Augen nicht Neid gesehen, sondern Trauer. Und deshalb geht Caleb die Situation nicht mehr aus dem Kopf. Neid rührt nämlich daher, daß man etwas haben möchte, das einem nicht gehört. Aber Trauer rührt daher, daß man etwas verloren hat, das man bereits hatte.

    Nathaniel mag das blöde Spielzimmer nicht, mit der blöden Bücherecke und den blöden glatzköpfigen Puppen und dem blöden Buntstiftkasten, der nicht mal Gelb drin hat. Er mag Monica nicht, deren Lächeln Nathaniel daran erinnert, wie er sich einmal ein Stück Orange mit der Schale nach außen in den Mund gestopft hat, ein albernes, falsches Grinsen. Vor allem mag er es nicht, daß seine Mom und sein Dad nur zweiundzwanzig Treppenstufen über Nathaniel sind und er nicht zu ihnen darf.
    Â»Nathaniel«, sagt Monica, »komm, wir bauen den Turm fertig.«
    Der ist aus Bauklötzen; gestern haben sie den ganzen Nachmittag daran gebaut und über Nacht ein Schild dran gemacht, daß der Hausmeister ihn bis heute morgen stehen lassen soll.
    Â»Was meinst du, wie hoch wir ihn schaffen?«
    Aber Nathaniel möchte sich lieber vorstellen, er sei ein riesiges Ungetüm. Er holt mit seiner riesigen Pranke aus und schlägt gegen den Turm.
    Das ganze Gebäude stürzt polternd ein.
    Monica blickt so traurig, daß Nathaniel sich einen ganz kurzen Moment lang scheußlich fühlt. »Och«, seufzt sie. »Warum hast du das getan?«
    Genugtuung umspielt Nathaniels Lippen, kommt tief aus seinem Innern. Aber er sagt ihr nicht, was er denkt: Weil ich das konnte.

    Joseph Toro scheint sich im Gerichtssaal unwohl zu fühlen, und ich kann es ihm nicht verdenken. Als ich den Mann das letzte Mal gesehen habe, kauerte er neben der Richterbank, vollgespritzt mit dem Blut und der Gehirnmasse seines Mandanten.
    Â»Hatten Sie sich mit Glen Szyszynski getroffen, bevor Sie an dem Tag ins Gericht kamen?« fragt Quentin.
    Â»Ja«, sagt der Anwalt zaghaft. »Im Gefängnis, vor der Anklageeröffnung.«
    Â»Was hat er über die ihm zur Last gelegte Tat gesagt?«
    Â»Er hat sie kategorisch abgestritten.«
    Â»Einspruch«, ruft Fisher. »Relevanz?«
    Â»Stattgegeben.«
    Quentin überlegt. »In welcher Verfassung befand sich Pater Szyszynski am Morgen des dreißigsten Oktober?«
    Â»Einspruch.« Diesmal ist Fisher aufgestanden. »Aus dem gleichen Grund.«
    Richter Neal blickt den Zeugen an. »Ich möchte die Antwort hören.«
    Â»Er hatte panische Angst«, sagt Toro leise. »Er war resigniert. Er betete. Er hat mir aus dem Matthäus-Evangelium vorgelesen. Die Stelle, wo Jesus sagt: ›Mein Gott, warum hast du mich verlassen?‹ «
    Â»Was geschah, als Ihr Mandant in den Gerichtssaal gebracht wurde?« fragt Quentin.
    Â»Sie führten ihn

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