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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wenn die Muskeln verspannt waren. Er betrachtet diese Frau, die er nicht mehr kennt, und denkt, nur bei ihr könnte ich mich zu Hause fühlen.
    Tanyas Finger gleiten über die Knochen, an die er sich nicht erinnern konnte, breite, weiße Rippen und Teile von Knie und Fußknöchel. Dann ergreift sie Quentins Arm und schmunzelt. »Du mußt noch allerhand lernen«, sagt sie und zieht ihn ins Haus.

    In der Nacht träume ich, daß ich im Gerichtssaal neben Fisher sitze, und plötzlich sträuben sich mir die Nackenhaare. Die Luft wird stickiger, das Atmen fällt schwerer, und hinter mir läuft ein Flüstern durch den Raum, wie Mäuse auf nacktem Fußboden. »Bitte erheben Sie sich«, sagt der Gerichtssekretär, und ich will gerade aufstehen, doch da spüre ich das kalte Klicken einer Pistole an meinem Kopf, eine Kugel saust mir ins Gehirn, und ich falle; ich falle.

    Ich kann Pater Szyszynski nicht zurückholen. Aber ich kann auch den Fehler, den ich begangen habe, nicht aus meinem Gedächtnis löschen. Keine Gefängnisstrafe kann mich mehr bestrafen, als ich mich selbst bestrafe, und sie kann weder die Zeit zurückdrehen noch mich daran hindern zu denken, daß Arthur Gwynne den Tod genauso verdient hat, wie sein Halbbruder ihn nicht verdient hat.
    Ich habe mich nur noch in Zeitlupe bewegt, darauf gewartet, daß eine unvermeidliche Axt niedersaust, mir Zeugenaussagen angehört, als würden die Zeugen über das Schicksal einer mir Unbekannten reden. Aber jetzt spüre ich, daß ich aufwache. Mag sein, daß die Zukunft Schicksalsschläge für uns bereithält, die wir nie vergessen werden, aber das heißt noch lange nicht, daß wir immer nur nach hinten blicken sollten. Genau das wollte ich doch Nathaniel ersparen … warum also nicht auch mir?
    Es fällt wieder Schnee, wie ein Segen.
    Ich will mein Leben zurück.

Das Vögelchen sah aus wie ein winziger Dinosaurier, zu klein, um schon Federn zu haben oder zu wissen, wie man die Augen aufmacht. Es lag auf dem Boden neben einer Eichel mit gelbem Hut und einem kleinen Stock.
    Ich starrte das Vögelchen an. Ich fragte mich, ob es wohl direkt neben dem Stock und der Eichel liegenbleiben würde, bis es tot war. Ich deckte es mit einem großen Blatt zu, damit ihm schön warm war. »Wenn ich ein Vogel wäre und mich irgendwer anfassen würde, würde ich dann sterben?«
    Â»Wenn du ein Vogel wärst«, sagte sie, »hätte ich dich niemals aus dem Nest fallen lassen.

8
    Folgende Sachen nimmt er mit: Sein Yomega-Brain-Jo-Jo, den Arm von einem Seestern, den er am Strand gefunden hat. Sein Band, auf dem »Tapferster Junge« steht, eine Taschenlampe, eine Batman-Sammelkarte. Sechsundsiebzig Penny, zwei Zehncentstücke und einen kanadischen Vierteldollar. Einen Schokoriegel und eine Tüte Gummibärchen, die noch von Ostern übriggeblieben ist. Das sind die Schätze, die er mitgenommen hat, als er mit seinem Vater in das Motel zog. Die kann er jetzt nicht zurücklassen. Sie passen alle in einen weißen Kissenbezug, und der drückt sacht gegen Nathaniels Bauch, als er ihn sich unter die Jacke stopft und den Reißverschluß zuzieht.
    Â»Bist du fertig?« fragt sein Vater, und Nathaniel fragt sich, warum er sich überhaupt die Mühe gemacht hat, die Sachen zu verstecken, wo sein Dad doch sowieso zu beschäftigt ist, um was zu merken. Er klettert auf den Beifahrersitz des Pickup und legt den Sicherheitsgurt an – doch dann überlegt er es sich anders und löst ihn wieder.
    Wenn er schon richtig böse sein will, dann kann er auch gleich damit anfangen.

    Â»Na, wie geht’s heute morgen?« fragt Fisher, als ich neben ihm Platz nehme.
    Â»Das sollten Sie doch eigentlich wissen.« Ich beobachte den Gerichtssekretär, der einen Aktenstapel auf die Richterbank legt.
    Fisher tätschelt meine Schulter. »Jetzt sind wir dran«, sagt er zuversichtlich. »Ich werde heute dafür sorgen, daß die Geschworenen vergessen, was Brown ihnen gesagt hat.«
    Ich wende mich ihm zu. »Die Zeugen –«
    Â»â€“ werden ihre Sache gut machen. Vertrauen Sie mir, Nina. Spätestens wenn wir Mittagspause machen, ist jeder in diesem Saal davon überzeugt, daß Sie verrückt waren.«
    Als die Seitentür aufgeht und die Geschworenen hereinkommen, blicke ich weg und überlege, wie ich Fisher beibringen kann, daß ich

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