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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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richtig?«
    Â»Ja.«
    Â»Und wie alle Kinder haben Sie vermutlich ab und zu mal geflunkert?«
    Â»Ja, bestimmt«, sagt Patrick.
    Â»Aber das ist etwas ganz anderes als Meineid, nicht wahr?«
    Â»Ja.«
    Â»Wie alle Kinder haben Sie beide irgendwelche geheimen Pläne ausgeheckt und sie vielleicht auch ausgeführt?«
    Â»Klar.«
    Fisher breitet die Arme aus. Aber das ist etwas ganz anderes, als einen Mord zu planen, richtig?«
    Â»Absolut.«
    Â»Und als Kinder standen Sie beide sich besonders nahe. Noch heute stehen Sie sich besonders nahe. Aber Sie beide sind eben nur – Freunde . Richtig?«
    Patrick blickt mich direkt an. »Natürlich«, sagt er.

    Die Anklage hat ihre Beweisführung abgeschlossen. Ich bin allein in dem kleinen Besprechungsraum – Caleb sieht nach Nathaniel, Fisher muß in seiner Kanzlei anrufen. Ich stehe gerade am Fenster, als die Tür aufgeht und der Lärm vom Korridor hereindringt. »Wie geht’s ihm?« frage ich, ohne mich umzudrehen, weil ich annehme, daß es Caleb ist.
    Â»Müde«, antwortet Patrick, »aber ich erhol mich schon wieder.«
    Ich drehe mich um und gehe auf ihn zu, doch es ist eine unsichtbare Wand zwischen uns. Patricks Augen, so wunderschön blau, sind umschattet.
    Â»Du hast gelogen. Im Zeugenstand. Über das, was uns betrifft.«
    Â»Hab ich das?« Er kommt näher, und es tut weh. Einander so nahe zu sein und doch zu wissen, daß wir das letzte Stück Abstand zwischen uns nicht verschwinden lassen können.
    Wir sind wirklich nur Freunde. Etwas anderes werden wir nie sein. Wir können uns fragen, ob nicht doch mehr zwischen uns ist, einen einzigen Abend lang so tun als ob, aber das ist kein Maßstab für ein gemeinsames Leben. Wir werden nie wissen, was gewesen wäre, wenn ich Caleb nicht kennengelernt hätte, wenn Patrick nicht nach Übersee gegangen wäre. Aber ich habe mir mit Caleb ein Leben aufgebaut. Diesen Teil kann ich nicht aus mir herausschneiden, genausowenig wie ich den Teil meines Herzens herausschneiden kann, der Patrick gehört.
    Ich liebe sie beide, werde sie immer lieben. Aber im Augenblick geht es nicht um mich.
    Â»Ich habe nicht gelogen, Nina. Ich habe das Richtige getan.« Patrick hebt eine Hand an mein Gesicht, und ich schmiege meine Wange in seine Handfläche.
    Ich werde ihn verlassen. Ich werde alle verlassen.
    Â»Das richtige«, wiederhole ich, »ist nachzudenken, bevor ich handele, damit ich den Menschen, die ich liebe, nicht weiter weh tue.«
    Â»Deiner Familie –«, murmelt er.
    Ich schüttele den Kopf. »Nein«, sage ich zum Abschied. »Ich meinte dich.«

    Nach der Sitzung geht Quentin in eine Bar. Doch er hat keine große Lust, etwas zu trinken, deshalb steigt er in seinen Wagen und fährt ziellos umher. Er kauft in einem Supermarkt für über hundert Dollar Sachen ein, die er nicht braucht, er ißt bei McDonald’s zu Abend. Erst zwei Stunden später wird ihm klar, daß es doch einen Ort gibt, an dem er sein möchte.
    Es ist dunkel, als er vor Tanyas Haus hält, und er hat Mühe, den Beifahrer aus dem Wagen zu bugsieren. Es war leichter, als er gedacht hätte, ein Plastikskelett aufzutreiben.
    Er schleppt das Skelett wie einen betrunkenen Freund die Einfahrt hoch, Zehen schleifen über den Kies, und er benutzt einen langen knochigen Finger, um auf den Klingelknopf zu drücken. Gleich darauf öffnet Tanya die Tür.
    Sie trägt noch ihre Krankenschwesterkluft und hat das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. »Also schön«, sagt sie, als sie Quentin und das Skelett sieht. »Laß hören.«
    Er stellt sich so hin, daß er den Schädel halten kann, während der Rest herabbaumelt, und er eine Hand frei hat. »Scapula«, sagt er. »Ischium, Ilium. Maxilla, Mandibula, Fibula, Os cuboideum.« Er hat mit schwarzem Filzstift die Namen auf die jeweiligen Knochen geschrieben.
    Tanya will die Tür wieder schließen. »Jetzt bist du völlig übergeschnappt, Quentin.«
    Â»Nein!« Er klemmt das Handgelenk des Skeletts zwischen Tür und Rahmen. »Nicht.« Quentin holt tief Luft und sagt: »Ich hab das für dich gekauft. Ich wollte dir zeigen … daß ich nicht vergessen habe, was du mir beigebracht hast.«
    Sie legt den Kopf schief. Gott, wie er das früher bei ihr geliebt hat. Und wie sie sich immer selbst den Hals massiert hat,

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