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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Ich sage mir, daß sie ja nicht wissen konnte, was Nathaniel vorhat. Daß niemand unfehlbar ist und daß ich ihn schließlich auch nicht besser beschützt hatte als sie. Aber trotzdem.
    Ich konnte Nathaniels Stimme immer und überall unterscheiden. Wenn ich jetzt laut genug rufe, vielleicht kann Nathaniel mich dann hören.
    Auf Monicas Wangen leuchten zwei kreisrunde Flecken. »Was kann ich nur tun?« flüstert sie.
    Â»Ihn zurückholen.« Dann gehe ich weg, weil Schuld nicht nur ansteckend ist, sondern auch tödlich.

    Caleb blickt dem Polizeiwagen nach, der mit eingeschaltetem Blaulicht davonrast. Diese Polizisten haben bestimmt vergessen, wie es ist, wenn man fünf Jahre alt ist. Deshalb geht er vor dem Fenster zu der Toilette im Untergeschoß in die Hocke, bis er auf Nathaniels Augenhöhe ist. Dann kneift er die Augen zusammen und hält nach irgend etwas Ausschau, daß die Aufmerksamkeit des Jungen geweckt haben könnte. Ein paar Büsche, kahl und windgepeitscht. Ein Schirm, vom Wind umgestülpt und dann weggeworfen. Eine Rampe für Rollstuhlfahrer mit gelben Zickzacklinien darauf.
    Â»Mr. Frost.« Die tiefe Stimme erschreckt Caleb. Er richtet sich auf und sieht den Staatsanwalt neben sich stehen, die Schultern in der Kälte hochgezogen.
    Als Monica mit der schlimmen Neuigkeit in den Gerichtssaal gelaufen kam, blickte Fisher Carrington nur kurz in Ninas Gesicht und bat um eine Unterbrechung. Brown dagegen stand auf und fragte den Richter, ob das nicht vielleicht nur eine Finte sein könnte, um Mitleid zu erregen. »Wäre doch möglich«, sagte er, »daß der Junge gesund und munter in irgendeinem Besprechungszimmer sitzt.«
    Als Nina daraufhin vor den Augen der Geschworenen hysterisch wurde, sah er seinen taktischen Irrtum ein. Aber trotzdem ist er so ziemlich der letzte, den Caleb hier draußen erwartet hätte.
    Â»Ich wollte Ihnen bloß sagen«, murmelt Brown jetzt, »falls ich irgendwas tun kann …«
    Er spricht den Satz nicht zu Ende. »Und ob Sie was tun können«, erwidert Caleb. Beide Männer wissen, was das ist, wissen, daß es nichts mit Nathaniel zu tun hat.
    Der Ankläger nickt und geht ins Gebäude. Caleb kauert sich wieder hin. Er läßt seinen Blick im Halbkreis um das Gebäude wandern, so wie er Steine in einem halbrunden Innenhof legt, in immer größeren Kreisen, so daß er nichts ausläßt, langsam und gründlich, bis er sicher ist, daß er die Welt mit den Augen seines Sohnes sieht.

    Auf der anderen Seite des Highway ist eine steile Böschung, die Nathaniel auf dem Hintern hinunterrutscht. Seine Hose verfängt sich an einem Ast und reißt ein, aber das macht nichts, weil keiner ihn bestrafen wird. Er watet durch eiskalte Schmelzwasserpfützen, geht eine Weile zwischen dicht stehenden Bäumen hindurch und stolpert schließlich über ein paar dicke Grasbüschel, die der Schnee nicht verdeckt hat.
    Nathaniel setzt sich auf einen Stamm und holt den Kissenbezug unter seiner Jacke hervor. Er nimmt seinen Schokoriegel und ißt ihn halb, dann beschließt er, die andere Hälfte für später zu lassen.
    Als die Hirsche kommen, hält Nathaniel die Luft an. Er erinnert sich daran, was sein Vater ihm gesagt hat– daß sie mehr Angst vor uns haben als wir vor ihnen. Das große Tier, eine Hirschkuh, hat ein Fell wie Karamel und kleine hochhackige Hufe. Ihr Kind sieht ganz ähnlich aus, mit weißen Flecken auf dem Rücken, als wäre die Farbe noch nicht überall hingekommen. Sie neigen ihre langen Hälse zum Boden, schubbern mit den Nasen durch den Schnee.
    Die Hirschmutter findet das Gras. Nur ein paar alte Büschel. Aber anstatt zu fressen, schiebt sie das Junge näher heran. Sie sieht zu, wie ihr Kind frißt, obwohl für sie selbst nichts mehr übrigbleibt.
    Am liebsten würde Nathaniel ihr die andere Hälfte von seinem Schokoriegel geben.
    Aber als er in seinen Kissenbezug greift, fliegen die Köpfe der beiden hoch, und mit wenigen Sprüngen verschwinden sie, ihre Schwänze wie weiße Segel, tiefer im Wald.
    Nathaniel untersucht den Riß an seinem Hosenboden, seine verschlammten Stiefel. Er legt den halben Schokoriegel auf den Baumstamm, für den Fall, daß die Hirsche zurückkommen. Dann steht er auf und geht langsam zurück zur Straße.

    Patrick hat die Gegend um das Gerichtsgebäude im Radius von

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