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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Gedanken von sich gewiesen hatte, daß Patrick Nathaniel weh getan haben könnte, während sie nur wenige Tage später, offenbar ohne nachzudenken, Caleb der Tat beschuldigt hat.
    Caleb fröstelt. Patrick hatte einmal erwähnt, daß der Vernehmungsraum immer fünf Grad kühler gehalten wird als der Rest des Reviers, damit Verdächtige sich körperlich unwohl fühlen. »Bin ich festgenommen?« fragt er.
    Â»Wir unterhalten uns bloß«. Patrick weicht Calebs Blick aus. »Wie alte Freunde.«
    Alte Freunde, o ja. Wie Hitler und Churchill.
    Caleb will nicht hier sitzen und sich verteidigen. Er will mit seinem Sohn reden. Er will wissen, ob Nina ihm das Piratenbuch schon zu Ende vorgelesen hat. Er will wissen, ob Nathaniel wieder ins Bett gemacht hat.
    Â»Dann fangen wir mal an.« Patrick schaltet den Kassettenrecorder ein.
    Plötzlich fällt Caleb ein, daß seine beste Informationsquelle ja nur einen Meter entfernt sitzt. »Du hast Nathaniel gesehen«, murmelt er. »Wie geht’s ihm?«
    Patrick blickt überrascht auf. Er ist es gewöhnt, selbst die Fragen zu stellen.
    Â»Ging es ihm gut, als du da warst?«
    Â»Es ging … es ging ihm einigermaßen gut«, sagt Patrick. »So, jetzt –«
    Â»Manchmal, wenn er nichts essen will, kann man ihn ablenken, indem man über irgend etwas anderes redet. Fußball oder Frösche oder so. Und während du redest, tust du ihm einfach immer weiter Essen auf die Gabel. Sag Nina das.«
    Â»Laß uns jetzt über Nathaniel reden.«
    Â»Tu ich doch schon. Hat er schon was gesagt? Richtig gesagt, meine ich. Nicht bloß mit den Händen?«
    Â»Wieso?« fragt Patrick argwöhnisch. »Hast du Angst, er könnte uns noch mehr erzählen?«
    Â»Angst? Es wäre mir egal, wenn das einzige Wort, das er sagen könnte, mein Name wäre. Es wäre mir egal, wenn ich deshalb lebenslang eingesperrt würde. Hauptsache, ich höre sie mit eigenen Ohren.«
    Â»Seine Anschuldigung?«
    Â»Nein«, sagt Caleb. »Seine Stimme.«

    Mir fällt kein Ziel mehr ein. Die Bank, die Post, ein Eis für Nathaniel. Ein kleiner Park, das Tiergeschäft. Seit wir aus der Kirche gegangen sind, habe ich Nathaniel von Gebäude zu Gebäude geschleppt, habe Erledigungen gemacht, die noch hätten warten können, nur damit ich nicht wieder zurück nach Hause muß.
    Â»Weißt du was, wir besuchen Patrick«, verkünde ich und biege im letzten Moment auf den Parkplatz des Polizeireviers von Biddeford ein. Er wird nicht begeistert sein, daß ich nach dem Stand seiner Ermittlungen frage, aber er wird es verstehen. Nathaniel läßt sich auf der Rückbank zur Seite plumpsen, um mir zu zeigen, was er von der Idee hält.
    Â»Nur fünf Minuten«, verspreche ich.
    Die amerikanische Flagge knattert laut in dem kalten Wind, als Nathaniel und ich den Weg zur Eingangstür hochgehen. Gerechtigkeit für alle. Als wir knapp fünf Meter entfernt sind, öffnet sich die Tür. Patrick kommt als erster heraus, schirmt die Augen gegen die Sonne ab. Direkt hinter ihm folgen Monica LaFlamme und Caleb.
    Nathaniel schnappt nach Luft, dann reißt er sich von mir los. Im selben Moment entdeckt Caleb ihn und sinkt auf ein Knie. Seine Arme umschließen Nathaniel, drücken ihn an sich. Nathaniel blickt mit einem breiten Lächeln zu mir hoch, und in diesem Augenblick wird mir klar, daß er glaubt, ich hätte das als herrliche Überraschung für ihn geplant.
    Patrick und ich stehen in einigem Abstand da, wie Buchstützen, die die Szene einklammern, während sie geschieht.
    Er gewinnt als erster die Fassung wieder. »Nathaniel«, sagt Patrick leise, aber bestimmt, und er tritt vor, um meinen Sohn wegzuziehen. Doch Nathaniel will nichts davon wissen. Er schlingt die Arme um Calebs Hals, will unter seine Jacke kriechen.
    Ãœber den Kopf unseres Sohnes hinweg begegnet Calebs Blick dem meinem. Er steht auf, hebt Nathaniel dabei hoch.
    Ich zwinge mich wegzuschauen. An die Hunderte von Kindern zu denken, die ich kennengelernt habe – die gepeinigt und verwahrlost und hungrig sind –, die schreien, wenn sie aus ihren Familien weggeholt werden, und darum betteln, bei Mutter oder Vater bleiben zu dürfen, auch wenn sie mißbraucht wurden.
    Â»He, Sohnemann«, sagt Caleb leise und zwingt Nathaniel, ihn anzusehen. »Du weißt, daß ich jetzt am

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