Die Macht des Zweifels
schön«, sagt Patrick ruhig. »Ich kümmere mich sofort darum. Ich fahre zu Caleb und rede mit ihm.«
Ich ertrage sie kaum, diese unglaubliche Gelassenheit in seiner Stimme. Ich fahre mir mit beiden Händen durchs Haar. »Meine Güte, Patrick. Hörst du bitte auf, dich zu verhalten wie ein ⦠ein Cop?«
»Willst du von mir hören, daà ich ihn am liebsten windelweich prügeln würde?«
Die Wut in seiner Stimme verblüfft mich. Ich neige den Kopf. »Ja«, antworte ich leise. »Genau das will ich von dir hören.« Er legt mir seine Hand an den Hinterkopf. Es fühlt sich an wie ein Gebet. »Ich weià nicht, was ich machen soll.«
Patricks Finger umschlieÃen meinen Schädel, durchfurchen mein Haar. Ich lasse es zu, stelle mir vor, daà er meine Gedanken entwirrt. »Dazu hast du ja mich«, sagt er.
Nathaniel weigert sich, als ich ihm sage, wo wir hinwollen. Aber wenn ich noch eine Minute länger im Haus bleibe, verliere ich den Verstand.
Licht fällt durch die hohen bunten Glasscheiben von St. Anneâs, umspielt Nathaniel und mich mit einem Regenbogen. Um diese Uhrzeit, mitten in der Woche, ist die Kirche so still wie ein Geheimnis. Ich gehe ganz behutsam, während Nathaniel vor sich hin schlurft und seine Turnschuhe über den Mosaikboden schleifen läÃt.
»Laà das«, flüstere ich und wünsche mir im selben Moment, ich hätte es nicht getan. Meine Worte hallen von den Steinbogen und den glänzend polierten Bänken wider und fallen auf mich zurück.
»Ich bin gleich wieder da«, sage ich zu Nathaniel und lasse ihn mit ein paar Matchbox-Autos auf einer der Bänke allein. Während ich rasch auf den Beichtstuhl zugehe, ehe ich es mir anders überlegen kann.
Drinnen ist es eng und stickig. An meiner Schulter öffnet sich ein Gitter. Ich kann Pater Szyszynski zwar nicht sehen, aber ich kann die Stärke riechen, die er für seine klerikalen Hemden verwendet.
Eine Beichte ist tröstlich, und sei es auch nur, weil es feste Regeln gibt, die niemals gebrochen werden.
»Vater, ich habe gesündigt. Meine letzte heilige Beichte war vor vier Monaten.«
Falls er schockiert ist, so kann er es gut verbergen.
»Ich ⦠ich weià nicht, warum ich hier bin.« Schweigen. »Ich habe etwas herausgefunden, vor kurzem, daà mich innerlich zerreiÃt.«
»Sprechen Sie weiter.«
»Mein Sohn ⦠man hat ihm weh getan.«
»Ja, ich weiÃ. Ich habe für ihn gebetet.«
»Ich glaube ⦠es sieht so aus ⦠als ob mein Mann derjenige war, der ihm das angetan hat.« Ich sitze weit vorgebeugt auf dem kleinen Klappstuhl. Stechende Schmerzen durchzucken mich, und ich bin froh darüber â ich hatte inzwischen geglaubt, überhaupt nichts mehr empfinden zu können.
Das Schweigen dauert so lange, daà ich mich frage, ob der Priester mich verstanden hat. Dann: »Und was ist Ihre Sünde?«
»Meine ⦠was?«
»Sie können nicht für Ihren Ehemann beichten.«
Zorn brodelt in mir auf, brennt in meiner Kehle. »Das war auch nicht meine Absicht.«
»Was wollten Sie dann heute beichten?«
Ich bin hergekommen, um einfach die Worte laut auszusprechen, und zwar vor jemandem, der die Aufgabe hat zuzuhören. Doch statt dessen sage ich: »Ich habe meinen Sohn nicht behütet. Ich habe nichts gemerkt.«
»Unschuld ist keine Sünde.«
»Und was ist mit Ignoranz?« Ich starre das Gitter zwischen uns an. »Was ist mit meiner Naivität, daà ich tatsächlich geglaubt habe, diesen Mann zu kennen. Was ist mit dem Wunsch, ihn so leiden zu sehen, wie Nathaniel leidet?«
Pater Szyszynski läÃt diese Worte stehen. »Vielleicht tut er das ja bereits.«
Mir stockt der Atem. »Ich liebe ihn«, sage ich heiser. »Ich liebe ihn ebensosehr, wie ich ihn hasse.«
»Sie müssen sich selbst verzeihen, daà Sie nicht gewuÃt haben, was vor sich ging. Daà Sie zurückschlagen möchten.«
»Ich weià nicht, ob ich das kann.«
»Also gut.« Eine Pause. »Können Sie ihm verzeihen?«
Ich betrachte den Schatten, der das Gesicht des Priesters ist. »So gottähnlich bin ich nicht«, sage ich und verlasse den Beichtstuhl, ehe er mich zurückhalten kann.
Es hat keinen Sinn. Ich durchlebe meine BuÃe ja bereits.
Er will nicht hier sein.
Die Kirche klingt wie das Geräusch in
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