Die Macht des Zweifels
dieselben Schlüsse gezogen.«
Es klopft, und wir blicken zur Tür. Patrick kommt herein, nickt Monica zu. »Ich wollte gerade gehen«, erklärt sie. »Falls Sie mich noch brauchen, ich bin später in meinem Büro zu erreichen.«
Das ist sowohl an Patrick als auch an mich gerichtet. Patrick wird sie vermutlich brauchen, um den Fall weiter zu bearbeiten. Ich werde sie vermutlich brauchen, weil ich moralische Unterstützung benötige. Sobald sich die Tür hinter Monica schlieÃt, tritt Patrick auf mich zu. »Nathaniel?«
»Er ist in seinem Zimmer. Es geht ihm gut.« Ein Schluchzen steigt mir in die Kehle. »O Gott, Patrick. Ich hätte es wissen müssen. Was hab ich getan? Was hab ich bloà getan?«
»Du hast getan, was du für nötig gehalten hast«, sagt er schlicht.
Ich nicke, will ihm glauben. Aber Patrick weiÃ, daà es nicht funktioniert. »He.« Er führt mich zu den Stühlen in der Küche. »WeiÃt du noch, als wir Kinder waren und immer Cluedo gespielt haben?«
Ich wische mir die Nase am Ãrmel ab. »Nein.«
»Nur, weil du immer verloren hast. Bei dir war immer Colonel Mustard der Mörder, egal, wie die Beweise aussahen.«
»Ich hab dich bestimmt nur gewinnen lassen.«
»Gut. Wenn du es nämlich schon mal so gemacht hast, Nina, dann fällt es dir nicht so schwer, es noch mal zu tun.« Er legt mir die Hände auf die Schultern. »Ãberlaà die Sache mir. Ich kenne dieses Spiel, Nina, und ich bin gut darin. Wenn du mich tun läÃt, was ich tun muÃ, ohne daà du dich ständig einmischst, dann können wir nicht verlieren.« Unvermittelt tritt er einen Schritt zurück, steckt die Hände in die Taschen. »Und du hast dich jetzt um andere Dinge zu kümmern.«
»Andere Dinge.«
Patrick dreht den Kopf, sucht meinen Blick. »Caleb?«
Es ist wie bei dem alten Kinderspiel: Wer blinzelt zuerst? Diesmal halte ich nicht durch. Ich schaue weg. »Dann schnapp ihn dir, Patrick. Es ist Pater Szyszynski. Ich weià es, und du weiÃt es. Wie viele Priester sind schon für so etwas verurteilt worden â verdammt!« Ich verziehe das Gesicht, weil mir schlagartig mein Fehler bewuÃt wird. »Ich hab in der Beichte mit Pater Szyszynski über Nathaniel gesprochen.«
» Was hast du? Wieso denn das?«
»Ich habe gedacht, er wäre mein Priester .« Dann blicke ich auf. »Moment mal. Er denkt, Caleb steht unter Verdacht. Das hab ich ihm gesagt. Das ist doch gut, nicht? Er weià nicht, daà er jetzt der Verdächtige ist.«
»Wichtig ist, ob Nathaniel es weiÃ.«
»Ist das nicht sonnenklar?«
»Leider nein. Offenbar gibt es nicht nur eine Möglichkeit, das Wort âºVaterâ¹ zu interpretieren. Und da drauÃen gibt es schlieÃlich nicht nur einen einzigen Priester.« Er blickt mich ernst an. »Du bist Staatsanwältin. Du weiÃt, daà dieser Fall sich keinen Fehler mehr erlauben kann.«
»Himmel, Patrick, er ist doch erst fünf. Er hat das Zeichen für Priester gemacht. Szyszynski ist der einzige Priester, den er überhaupt kennt, der einzige Priester, der regelmäÃig mit ihm Kontakt hat. Na los, frag Nathaniel schon, ob er Szyszysnki gemeint hat.«
»Damit kommen wir vor Gericht nicht durch, Nina.«
Plötzlich begreife ich, daà Patrick nicht nur gekommen ist, um mit Nathaniel zu reden. Er ist auch hier, um mit mir zu reden. Um mich daran zu erinnern, daà ich zwar eine Mutter bin, aber jetzt trotzdem wie eine Staatsanwältin denken muÃ. Wir dürfen Nathaniel den Namen des Beschuldigten nicht in den Mund legen; Nathaniel muà ihn von sich aus aussprechen. Ansonsten besteht keine Aussicht auf eine Verurteilung.
Mein Mund ist trocken. »Er redet nicht, so weit ist er noch nicht.«
Patrick streckt mir eine Hand entgegen. »Dann laà uns mal sehen, was er uns heute so erzählen kann.«
Nathaniel sitzt auf dem oberen Etagenbett und sortiert die alte Baseballkartensammlung seines Vaters in kleine Stapel. Er mag das Gefühl der weichen Papierränder an seinen Fingern, und daà sie irgendwie grau riechen. Sein Dad sagt, er soll vorsichtig mit den Karten umgehen, weil die ihm irgendwann mal das Studium finanzieren könnten, aber Nathaniel ist das ganz egal. Im Augenblick gefällt es ihm einfach, sie anzufassen, sich die vielen ulkigen Gesichter anzusehen und sich
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