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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Moment lang nach. Noch vor zwei Wochen konnte ich Monica LaFlamme nicht ausstehen. Jetzt stehe ich in ihrer Schuld. Und ich lächle ihr dankbar nach.

    Thomas LaCroix ist fünf Zentimeter kleiner als ich und hat den Ansatz einer Glatze. Das spielt natürlich keine Rolle, aber ich ertappe mich dabei, daß ich Wally während unserer Besprechung wütende Blicke zuwerfe und mich frage, wieso er nicht in der Lage war, ein Bilderbuchexemplar von Staatsanwalt aufzutreiben, einen, der äußerlich und innerlich dermaßen perfekt ist, daß kein Geschworener auch nur das geringste an ihm auszusetzen haben könnte.
    Â»Wir geben den Fall hundertprozentig in Toms Hände«, sagt mein Chef. »Sie wissen, daß wir Sie und Caleb unterstützen, daß wir vorbehaltlos hinter Ihnen stehen … aber wir möchten der Gegenseite keine Handhabe geben, Rechtsmittel einzulegen. Und wenn wir im Gerichtssaal wären, könnte der Eindruck entstehen, daß der Kerl keinen fairen Prozeß bekommt.«
    Â»Das verstehe ich, Wally«, sage ich.
    Â»Gut!« Wally ist für heute hier fertig und steht auf. »Wir sind alle gespannt, wie es weitergeht.«
    Beim Hinausgehen klopft er mir auf die Schulter. Dann sind wir nur noch zu dritt – Caleb, ich und Thomas LaCroix. Wie ein guter Staatsanwalt – wie ich es auch tue – kommt er sofort zur Sache. »Die Anklageeröffnung ist erst nach der Mittagspause, wegen des großen öffentlichen Interesses«, sagt Tom. »Haben Sie das Medienaufgebot gesehen, als sie hereingekommen sind?«
    Gesehen? Es war das reinste Spießrutenlaufen. Wenn ich nicht gewußt hätte, wo der Lieferanteneingang ist, hätten wir Nathaniel gar nicht ins Gebäude schleusen können.
    Â»Auf jeden Fall habe ich schon mit den Gerichtsdienern gesprochen. Die sorgen dafür, daß zuerst die anderen Fälle erledigt werden, bevor sie Szyszynski reinbringen.« Er blickt auf die Uhr. »Unser Termin ist für ein Uhr angesetzt, also haben Sie noch etwas Zeit.«
    Ich presse meine Hände flach auf den Tisch. »Sie werden meinen Sohn nicht in den Zeugenstand rufen«, erkläre ich.
    Â»Nina, Sie wissen doch, das ist erst die Anklageeröffnung. Eine Formalität. Also lassen Sie uns –«
    Â»Ich möchte, daß Sie das wissen, also sage ich es Ihnen jetzt. Nathaniel wird nicht aussagen.«
    Er seufzt. »Ich mach das jetzt seit fünfzehn Jahren. Und wir müssen einfach abwarten, was passiert. Im Augenblick kennen Sie die Beweislage besser als ich. Und Sie wissen ganz sicher besser als ich, wie es Nathaniel geht. Aber Sie wissen auch, daß wir noch nicht alle Puzzleteilchen zusammenhaben – wir warten zum Beispiel noch auf die Laborberichte und die Genesung Ihres Sohnes. In sechs Monaten, in einem Jahr … geht es Nathaniel vielleicht erheblich besser, und dann ist es für ihn möglicherweise nicht mehr ganz so schlimm, wenn wir ihn im Zeugenstand aussagen lassen.«
    Â»Er ist fünf Jahre alt. In den fünfzehn Jahren, Tom, in wie vielen Fällen mit einem fünfjährigen Zeugen hat der Täter lebenslänglich gekriegt?«
    In keinem einzigen, und das weiß er genau. »Dann warten wir eben«, sagt Tom. »Wir haben Zeit, und dem Angeklagten wird es nur recht sein, wenn wir uns Zeit lassen, das wissen Sie.«
    Â»Sie können ihn nicht ewig in Haft behalten.«
    Â»Ich werde eine Kaution von 150 000 Dollar beantragen. Und ich bezweifle, daß die katholische Kirche die Summe für ihn bezahlen wird.« Er lächelt mich an. »Er kommt nicht raus, Nina.«
    Ich spüre, wie Calebs Hand sich auf meinen Oberschenkel legt, und ich halte mich an ihr fest. Zuerst denke ich, er will mich unterstützen, doch dann drückt er meine Finger so fest, daß es fast weh tut. »Nina«, sagt er heiter, »vielleicht sollten wir Mr. LaCroix jetzt einfach seine Arbeit machen lassen.«
    Â»Es ist auch meine Arbeit«, stelle ich klar. »Ich habe fast täglich Kinder im Zeugenstand, und ich erlebe, wie sie zusammenbrechen, und dann muß ich mit ansehen, wie der Täter freikommt. Das kann ich doch nicht so einfach vergessen, wenn es um Nathaniel geht!«
    Â»Genau – es geht um Nathaniel. Und heute braucht er eine Mutter, keine Staatsanwältin. Wir müssen schrittweise vorgehen, und heute müssen wir dafür sorgen, daß Szyszynski in Haft bleibt«, sagt

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