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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Morgens macht unsere Betreuerin – ein Mädchen mit Makrameehalskette, die sie sogar beim Schwimmen anhat – mit uns eine Wanderung durch den Wald. Irgendwann machen wir Rast. Die Betreuerin schiebt zwei gefällte Baumstämme zurecht, so daß wir uns draufsetzen können. Und auf einmal sind überall die Gelbjacken.
    Ich erstarre. Die Bienen sind auf dem Gesicht und den Armen und dem Bauch von unserer Betreuerin. Sie schlägt nach ihnen und schreit wie am Spieß. Ich werfe mich auf sie. Ich schlage mit den Händen auf sie ein. Ich rette sie, obwohl ich immerzu gestochen werde.
    Am Ende des Ferienlagers verteilen die Betreuer Preise, blaue Bänder mit dicken schwarzen Buchstaben drauf. Auf meinem steht »tapferster Junge«. Ich hab es immer noch.

4
    In den ersten Sekunden danach fragt Patrick sich, wieso er weiß, daß Ninas Lieblingszahl 13 ist, daß die Narbe an ihrem Kinn von einem Zusammenstoß beim Rodeln stammt und daß sie sich drei Weihnachten hintereinander einen Alligator als Haustier gewünscht hat – aber andererseits keine Ahnung hatte, daß die ganze Zeit über in ihr eine Granate nur darauf wartete zu explodieren. »Ich hab getan, was nötig war«, murmelt sie auf dem Weg durch den blutbesudelten Saal.
    Sie zittert in seinen Armen. Sie fühlt sich leicht wie eine Wolke an. Patrick dreht sich der Kopf. Nina riecht noch immer nach Äpfeln. Sie läuft geradeaus – aber sie redet unzusammenhängendes Zeug, wirkt bei weitem nicht so beherrscht, wie Patrick sie normalerweise kennt. Als sie durch die Tür in die Verwahrzelle gehen, blickt Patrick nach hinten in den Gerichtssaal. Pandämonium . Er hat immer gedacht, das Wort klingt wie ein Zirkusname, aber jetzt weiß er, was es bedeutet. Gehirnmasse klebt am Revers des Verteidigers. Der Zuschauerraum ist mit Papieren und Notizbüchern übersät, während einige Journalisten schluchzen und andere ihre Kameramänner anweisen weiterzufilmen. Caleb steht reglos wie eine Statue. Bobby, einer der Gerichtsdiener, spricht in das Funkgerät an seiner Schulter. »Ja, es wurde geschossen, und wir brauchen einen Rettungswagen.« Roanoke, der andere Gerichtsdiener, bugsiert eilig den bleichgesichtigen Richter Bartlett in dessen Amtszimmer. »Den Saal räumen!« schreit der Richter, und Roanoke erwidert: »Aber das geht nicht, Euer Ehren. Das sind alles Zeugen.«
    Auf dem Boden, nahezu unbeachtet, liegt die Leiche von Pater Szyszynski.
    Es war richtig, ihn zu töten , denkt Patrick unwillkürlich. Und dann sofort: O Gott, was hat sie getan?
    Â»Patrick«, murmelt Nina.
    Er kann sie nicht ansehen. »Sprich nicht mit mir.« Er wird als Zeuge aussagen in – Herrgott – Ninas Mordprozeß. Alles, was sie zu ihm sagt, wird er vor Gericht wiederholen müssen.
    Als eine Fotografin auf die Verwahrzelle zusteuert, versperrt Patrick der Kamera den Blick auf Nina. Im Augenblick ist es seine Aufgabe, sie zu beschützen. Er wünschte bloß, es wäre auch jemand da, um ihn zu beschützen.
    Er hält sie mit einem Arm fest, um mit dem anderen die Tür zu schließen. Jetzt können sie ungestört abwarten, bis die Polizei von Biddeford eintrifft. Noch während die Tür zufällt, sieht er, wie sich die Sanitäter über die Leiche beugen.
    Â»Ist er tot?« fragt Nina. »Nun sag schon, Patrick. Ich hab ihn getötet, nicht? Wie oft hab ich geschossen? Ich mußte es tun, natürlich mußte ich es tun. Er ist doch tot, oder? Die Sanitäter können ihn nicht wiederbeleben, oder? Sag mir, daß sie das nicht können. Bitte, sag mir nur, daß er tot ist. Ich schwöre, ich setz mich hier hin und rühr mich nicht, aber bitte sieh nach, ob er tot ist.«
    Â»Er ist tot, Nina«, sagt Patrick leise.
    Sie schließt die Augen, schwankt ein bißchen. »Gott sei Dank. Oh, Gott sei Dank.« Sie sinkt auf die Metallpritsche in der kleinen Zelle.
    Patrick dreht ihr den Rücken zu. Im Gerichtssaal sind jetzt seine Kollegen eingetroffen. Evan Chao, ein anderer Detective-Lieutenant im Department, überwacht die Sicherung des Tatortes, brüllt seine Anweisungen über das Tohuwabohu aus Schreien und Schluchzen hinweg. Polizisten auf Knien suchen nach Fingerabdrücken, machen Fotos von der größer werdenden Blutlache. Auch die Spezialeinheit kommt, stürmt den Mittelgang hinunter. Eine Frau, eine Journalistin, die

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